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Brückenschlag-Bänke müssen bis 5. November weg – „Westend Youth“-Kundgebung am 4. November

Die anfangs gefeierten, inzwischen umstrittenen und von manchen massiv bekämpften „Brückenschlag“-Bänke an der Westend-Kreuzung Goebenstraße/Scharnhorststraße werden bald Geschichte sein. Bis zu diesem Freitag müssen die wuchtigen Holzskulpturen auf Anordnung der städtischen Tiefbauamtes abgebaut werden. Vorher laden Jugendliche, die hier in den letzten Monaten einen Treffpunkt gefunden hatten, an diesem Donnerstag zur „Verabschiedung der Goebenbänke“.

Am 4. November um 16.20 Uhr beginnt die offizielle „Westend Youth“-Kundgebung zur „Freizeitsituation für Jugendliche in Zeiten von Corona“. In der Ankündigung heißt es: „Es ist Platz für jeden kreativen/konstruktiven Redebeitrag.“

Für die einen ein „heiliger Ort“, für die anderen der blanke Horror

Bereits bei der großen Pro- und- Contra-Diskussion vor Ort am 9. Oktober hatten sich Jugendliche zu Wort gemeldet, ihre Situation („Wo sollen wir denn hin?“ „Ein besonderer Ort, der uns in der Coronazeit geholfen hat, durchzukommen“, „Der Ort ist heilig für mich“) geschildert und damals auch beteuert, fortan mehr Rücksicht auf die Anwohner:innen zu nehmen. Deren Verteter:innen hatten bei der Diskussion ihrerseits in teils drastischen Schilderungen über Lautstärke, Alkohol- und Drogenkonsum, Dreck, Gestank, Schlafstörungen, Notdurftverrichtungen, Sachbeschädigungen, Pöbeleien bis hin zu Drohungen ein Horrorbild von einer aus dem Ruder gelaufenen Situation gemalt („Es wird jeden Tag schlimmer“, „Das ist nicht mehr mein Westend“), die nach ihrer Einschätzung einzig den „Brückenschlag“-Bänken zuzuschreiben sei.

„Nicht jeder möchte so leben, wie wir es für richtig halten“

Bei der Diskussion sprachen Brückenschlag-Initiator Björn Barbatschi sowie Anwohner:innen, Jugendliche, Vertreter der ebenfalls dort präsenten Obachdachlosen- und Trinker“szene“, aber auch Stadt- und Stadtteilpolitiker sowie Ariane Patzelt, Leiterin des städtischen Sozialleistungs- und Jobcenters. Sie sagte: „Es gibt Menschen, die leben anders als wir. Nicht jeder möchte so leben, wie wir es für richtig halten.“ Das müsse eine Stadt aushalten, es gebe aber auch Toleranzgrenzen. Der Weg der aufsuchenden Sozialarbeit sei von der Stadt lange vernachlässigt worden. „Sozialarbeit hört aber nicht um 17 Uhr auf, da fängt sie erst an“.

Alle von allen gelernt?

Dass bei entsprechenden Maßnahmen der „Erfolg nicht über Nacht kommt“, interessierte die unmittelbar Betroffenen kaum. „Die Bänke müssen weg – sofort“, lautete eine mehrfach formulierte Forderung. Andere regten an, klare Regeln aufzustellen und zu kommunizieren. Die Grünen-Stadtverordnete Gesine Bonnet zeigte sich „sehr sehr beeindruckt“ von der Diskussion und hatte den Eindruck: „Heute haben alle von allen gelernt.“

Nach der – da waren sich unabhängig von den konträren Standpunkten die meisten einig – bemerkenswerten, weil bei aller Emotionalität alle zu Wort kommen lassenden und  letztlich in beide Richtungen weitgehend respektvollen öffentlichen Diskussion am 9. Oktober zum Pro und Contra, zum Weiterbestand oder Abbau der Bänke lautete der Kompromissvorschlag eigentlich – „auslaufen lassen“ bis 31. Dezember, dann Abbau. Für die verbleibende Zeit wollte Ariane Patzelt sich sogar noch um das Aufstellen von Dixiklos kümmern, um dieses Thema zu entschärfen. Statt Toiletten kam dann wenige Tage nach der Diskussion die Verfügung der Stadt: Abbau bis zum 5. November. Keine Diskussion. Keine Kompromisse.

1150 Euro Abbaugebühr

Laut Björn Barbatschi habe das Tiefbauamt per Telefonat mitgeteilt, dass es auf „Sofortvollzug“ zum Abbau der Bänke durch ihn selbst bestehe. Andernfalls habe er für den Abbau eine Gebühr von 1150 Euro zu entrichten. Nachfragen seitens sensor an die Stadt wurden zuerst gar nicht, dann mit Verzögerung unvollständig und knapp beantwortet: „Das Tiefbau- und Vermessungsamt und Herr Barbatschi haben einvernehmlich telefonisch vereinbart, dass Herr Barbatschi die Holzelemente bis zum 5. November 2021 entfernen wird“, teilte David Bartelt, Referent im zuständigen Dezernat für Umwelt, Grünflächen und Verkehr, mit: „Es liegen aktuell keine Genehmigungen für die Bänke vor. Über die weitere Verwendung der Bänke wird der Eigentümer entscheiden.“

Schlachthof/Kulturpark als neuer Wunsch-Standort

Was Barbatschi, der zwar enttäuscht vom Lauf der Dinge und der Kompromisslosigkeit der Verantwortlichen ist, aber eingesehen hat, dass die Bänke an diesem Platz keine Zukunft haben, besonders ärgert: In der Kürze der Zeit sei es schwierig, einen neuen Standort für die an sich ja einzigartigen, von vielen hochgelobten und schließlich auch sehr wertvollen und teuren Bänke zu finden: „Es ging vor Allem darum, die restliche Zeit zu nutzen, um einen neuen Standort zu finden, an welchem die Elemente wieder einem sozialen Zweck dienen können.“ Am liebsten würde er sie dem Schlachthof / Kulturpark zur Verfügung stellen, wo sich auch viele Kids aufhalten. Bisher konnte er dort aber keine Entscheider erreichen. (Dirk Fellinghauer)

Wie seht ihr die Sache?

A – gut, dass die Bänke verschwinden. Jeder Tag ist einer zu viel.

B – mir egal.

C – Die Bänke hätten bis Jahresende bleiben sollen.