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Das große 2×5-Interview: Dominik Hofmann, heimathafen-Chef, 33 Jahre, 2 Töchter

Interview Dirk Fellinghauer. Foto Arne Landwehr.

BERUF

Der heimathafen wurde vor 5 Jahren als Coworking-Space und Café eröffnet. Inzwischen seid und bietet ihr viel mehr als das – nämlich?

Wir wären gerne ein Wellenmaschine für die Stadt Wiesbaden, die immer mal wieder Impulse rausjagt. Ich habe mich immer als Kurator des Netzwerks gesehen. Ich bin sehr dankbar, dass in der Stadt sehr viele Lust haben nicht nur auf das schöne historische Wiesbaden, sondern auch auf Aufbruch, auf Wiesbaden hinterfragen, überdenken und neu machen. Um die möchten wir uns eigentlich kümmern.

Du hast gesagt, ihr habt den heimathafen gegründet „eigentlich für alles das, wofür Wiesbaden weniger bekannt ist“. Wie gut ist es euch bisher gelungen, Wiesbaden mit diesen Themen vertraut zu machen?

Ob es klappt oder nicht, hängt nicht davon ab, wie gut wir sind, sondern wie viele Leute in der Stadt Bock haben auf was Neues. Gerade  in unserer engeren Community sind oft Leute, die sich mit dem Status quo nicht zufrieden geben, sondern die aufbrechen wollen zu neuen Ufern. Das gewinnt Dynamik. Wir sehen, dass wir manchmal gar nicht die zentrale Rolle spielen, sondern dass wir nur den Rahmen stellen, der dann gefüllt wird von anderen Leuten und ihren Projekten. Das macht  uns am glücklichsten. Darum geht es uns eher, als unseren eigenen Plan durchzuziehen.

Gibt es etwas, was speziell die Wiesbadener Gründerszene ausmacht?

Wir sind noch in der Identitätsfindungsphase. Man merkt schon, dass wir nicht die hippste Stadt sind. Wenn man sich die Hörner abstoßen will, geht man nicht unbedingt nach Wiesbaden. Aber wenn man es gemacht hat, dann kommt man wieder zurück. Wiesbaden ist eine Wiederkehrer-Stadt. Ich tendiere dazu, zu sagen, lasst uns ein Profil finden, das auch zu Wiesbaden passt und zu den Branchen, die hier sitzen. Dass man ein Profil als Gründerstadt entwickelt, das nicht aufgesetzt ist. Nicht kopieren, was woanders läuft, sondern verstehen, was hier läuft.

Mit dem heimathafen versucht ihr, die gesellschaftliche und soziale Komponente in eine manchmal oberflächlich wirkende Gründer- und Startup-Welt mit einzubringen.

Wir hatten das schon immer in den Genen, die Themen der Werte und der Nachhaltigkeit. Auch bei den Gründern gibt es mittlerweile viele, die ganz genau darauf achten, „wie“ sie Geld verdienen wollen und ob das eher nützlich ist für die Gesellschaft oder eher jemanden ausbeutet. Wenn man es schaffen würde, eine Gründer- und Startup-Szene so zu bauen, dass sie diese beiden Sachen verbindet, dann wäre das auch was, was zu Wiesbaden passt und was sehr einzigartig ist – fernab von Berlin-Startup-Hype und Hipstergedöns wirklich werthaltig zu wirtschaften.

Euer nächstes großes Ziel heißt Altes Gericht. Es könnte für euch und im besten Fall für die Stadt ein Quantensprung sein. Wie ist der Stand der Dinge?

Es sind sehr dicke Bretter, die wir bohren, aber es fallen auch ordentlich Späne. Ich bin wohl der Zurückhaltendste im Moment. Viele andere würden deutlich weniger abgewägt reden (schmunzelt). Im Moment stehen die Zeichen so, dass es zumindest im Bereich des Möglichen liegt. Es wird entweder ein richtig spannender und einer der geilsten Orte hier … oder halt nicht! Oder halt: Wohnen und privatisierte Flächen für Gewerbe. Wir hatten immer die Hoffnung, dass wir in die Stadt hineinwirken können. Wir machen das auch mehr, als es dieser süße Altbau an der Ecke Karlstraße/Adelheidstraße vermuten lassen würde. Es soll ein systemrelevanter Ort sein, der wirklich spürbar was verändert. Das wäre schon so ein Big Bang im Alten Gericht. Mich kitzelt es total, dort wo die Hülle für das alte Wiesbaden steht, im Inhalt den totalen Kontrast zu spielen. Absolute Zukunftsthemen, Aufbruch, Innovation: Wie wollen wir leben als Gesellschaft, wie können wir so wirtschaften, dass es die Gesellschaft voranbringt?  Aber auch in Richtung Kultur und Kunst einen Ort zu schaffen, wo es untergründig schön brodeln kann, aber auch Ausbruchsfläche da ist.

MENSCH

Wie oft hast du es in den letzten fünf Jahren schon bereut, nicht in New York – wo du vor dem heimathafen-Start mit deiner Frau ein Jahr lang gelebt hast – geblieben zu sein?

(überlegt) Gar nicht! Nein. Ich war immer mal wieder da, das hilft. Man muss sich einen Ort suchen, der einen immer wieder inspiriert. Dafür muss ich aber nicht dort wohnen. Familie und Firma, das wollte ich ganz bewusst hier in Wiesbaden machen.

Du hast 2012 nicht nur ein Unternehmen, sondern – fast zeitgleich – auch eine Familie gegründet. Wie bekommst du beides unter einen Hut?

(lacht.) In der Anfangszeit war das natürlich schon schwierig. Da hat auch meine Frau Bini viel getragen, übrigens auch beim heimathafen. Sie hat ihre Magisterarbeit über Coworking geschrieben und da sehr viel mit eingebracht. Gleichzeitig war es ihr Traum, eine Familie zu gründen. Die ersten Jahre stand die Work-Life-Balance sicher nicht so wirklich im Vordergrund. Aber inzwischen bin ich da, wo ich sein will, auch als Vater. Beim heimathafen ist mehr Laufruhe reingekommen, das lässt mir definitiv mehr Freiraum. Ich weiß, dass ich nicht mehr bei jeder Veranstaltung zwingend persönlich dabei sein muss und nicht jedem Hype hinterrennen muss.

Ein Leben ohne heimathafen wäre für dich wohl nicht mehr vorstellbar. Wenn aber doch – wie könnte dieses Leben aussehen?

Och, da wäre ich mir gar nicht so sicher (lacht). Mir wird ja schnell langweilig, wenn ich etwas geschafft habe. Deshalb werfe ich mich immer wieder gerne in neue Herausforderungen. Ich mag den Stress des Neuen lieber als die Langeweile des Bekannten. Das Schöne am heimathafen ist: Ich mache da nicht die eine Sache, sondern ich mache eine Sache, und drei neue Türen gehen auf. Das Thema Potenzialentfaltung ist meine große Leidenschaft. Die ersten fünf Jahre heimathafen waren eine klare Macherphase, da ging es um den Aufbau. Nachdem dieser geschafft ist, kommt jetzt die Ermöglicherphase. Das sind auch ganz persönliche Prozesse, die gerade laufen. Ich saß gerade einen Monat in den Rocky Mountains und habe mit einem Kaffee in der Hand in den Himmel geguckt … (lacht) – da passieren sehr viele Dinge, die uns ein Stück weit auf eine neue Reise schicken. Das ist das Schöne: Ein Hafen ist ein Ort, wo man immer wieder gerne hinkommt – aber auch, um von dort aus wieder auf neue Reisen zu gehen.

Wo findest du Ruhe und Abstand, wenn du nicht gerade vier Wochen alleine in den Rocky Mountains sitzen kannst?

Ich schaffe mir diese Momente auch im Kleinen. Ich habe Lieblingsorte am Rhein, liebe es, auf dem Neroberg zu sitzen – gerne mit einem Martini und einer Lucky Strike – und auf die Stadt zu gucken.

Wer oder was gibt dir Halt im Leben?

Gott spielt eine große Rolle. Allerdings für mich nicht im Kontext der Institution Kirche. Für mich geht es um die Frage, wie kann ich meinen Glauben im 21. Jahrhundert leben als aufgeklärter, liberal denkender Mensch im urbanen Kontext? Meine Frau, natürlich ebenfalls ein großer Halt, und ich leben das „Co“, das miteinander Teilen, auch privat – in einem Haus als Gemeinschaft, wo die Nachbarn viel zusammen machen und organisieren und wo wir auch Wohnzimmer-Gottesdienste feiern.