Von Falk Sinß. Fotos Samira Schulz.
Manuela Schon ist eine Frau, die keinem Konflikt aus dem Weg geht – besonders wenn es um ihr Lebensthema geht: die Abschaffung der Prostitution.
In vielen Köpfen herrscht noch immer der Glaube vor, bei Prostitution handele es sich zwar um keinen Traumjob, aber immerhin um einen, bei dem man schnell zu Geld kommen könne – vor allem, seitdem Prostitution nicht mehr sittenwidrig ist. Dass die Realität aber nichts mit dem Skript von „Pretty Woman“ zu tun hat und in den meisten Fällen aus Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel besteht, wird ignoriert.
Manuela Schon möchte das ändern. Die 1982 geborene Soziologin kämpft beherzt für das sogenannte „Nordische Modell“, mit dem Schweden große Erfolge im Kampf gegen die Prostitution feiern konnte. Es fußt auf vier Säulen: Kriminalisierung der Freier, Entkriminalisierung der Prostituierten, individuelle Hilfen für den Ausstieg sowie breitflächige Aufklärung der Bevölkerung.
Politische Ämter geopfert
Für diesen Kampf war die selbsternannte „Radikalfeministin“ auch bereit, politische Ämter zu opfern. Denn mit ihrem Kampf stieß und stößt sie auf großen Widerstand. „So lange ich nur das nachgeplappert habe, was andere sagen und man mich als Quotenfrau vorzeigen konnte, war ich sehr begehrt in der Partei, aber sobald ich angefangen habe, männliche Privilegien infrage zu stellen, war es damit vorbei“, erinnert sich Schon, die in der Partei Die Linke Wiesbadener Kreisvorsitzende und hessische Landesvorständin war.
Nicht immer Gegnerin der Prostitution
Manuela Schon war nicht immer eine entschiedene Gegnerin der Prostitution. „Ich habe mich schon als junge Erwachsene als Feministin bezeichnet, aber damals vertrat ich noch liberal feministische Positionen und sagte mir: ‚Wer bin ich denn, dass ich anderen Frauen vorschreiben will, was sie mit ihren Körpern tun?’“ Dann kam es zum Umdenken: „Erst später begriff ich, dass dies gar nicht der entscheidende Punkt ist, sondern dass Prostitution der sichtbarste Ausdruck der patriarchalischen Gesellschaft ist, in der wir leben und die wir zum Wohle aller überwinden müssen.“
Umdenken durch persönliche Kontakte
Ihre Haltung zur Prostitution begann sich zu ändern, als sie ab 2013 in der Sozialberatung des von ihr mitbegründeten Vereins „Linke Hilfe Wiesbaden“ zunehmend Kontakt zu bulgarischen Türkinnen und rumänischen Romnija bekam. „Diese werden oft unter falschen Vorwänden nach Deutschland gebracht und müssen sich dann hier zur Sicherung ihrer bloßen Existenz prostituieren“, erklärt Schon. Etwa zeitgleich veröffentlichte die feministische Zeitschrift EMMA den Appell gegen die Prostitution. Manuela Schon vertiefte sich immer mehr in das Thema und schaute auch, was vor der eigenen Haustür passiert. Nämlich eine ganze Menge.
Prostitution findet in Wiesbaden nicht nur in einschlägigen Häusern wie dem „Crazy Sexy“ und der „Roten Meile“ statt, sondern fast überall in der Stadt gut versteckt in normalen Mietshäusern: „Die Prostituierten mieten sich in sogenannten Terminwohnungen für eine bestimmte Zeit zu horrenden Preisen ein und versuchen dann, das Geld durch die Bedienung von bis zu zwanzig Freiern am Tag wieder hereinzuholen.“
Radikal heißt: Das Patriarchat an der Wurzel packen
Der Kampf gegen die Prostitution und der Beschäftigung mit der Geschichte des Feminismus ließ Manuela Schon zur Radialfeministin werden. „Das Radikal leitet sich von radix, dem lateinischen Wort für ‚Wurzel‘ ab und meint, dass wir das Problem an der Wurzel anpacken müssen, wenn wir das Patriarchat überwinden wollen: Wir müssen die Strukturen zerstören, die das System stützen, und die Prostitution ist der sichtbarste Ausdruck davon“, sagt Manuela Schon.
Bloggerin, Vortragsrednerin, Aktivistin, Buchautorin
Mittlerweile ist die Fachfrau eine international gefragte Vortragsrednerin. Mit anderen Radikalfeministinnen betreibt sie den Blog „Die Störenfriedas“, als Aktivistin ist sie vielfach aktiv (www.manuela-schon.de). Und nun hat sie ihr erstes Buch veröffentlicht: „Ausverkauft! Prostitution im Spiegel von Wissenschaft und Politik“. In diesem mehr als 500 Seiten umfassenden Standardwerk, erschienen im Verlag Tredition, erzählt sie die Geschichte des Kampfes gegen die Prostitution und zeigt Perspektiven zu deren Überwindung auf – auf dass solch eine Kampfschrift irgendwann überflüssig wird.
Podcast-Tipps
Manuela Schon als Gast im Polytox Podcast, Folge 46 – https://polytox.org –
„Radikalfeministin trifft alten weißen Mann, weibliche Intelligenz auf toxische Männlichkeit: Manuela Schons eigener Podcast Triggerwarnung mit Christian Quaynor: www.podcast.de/podcast/909917/
Das sogenannte „Nordische Modell“ ist Etikettenschwindel: Denn in Dänemark (auch ein nordisches Land) wurde es nicht eingeführt und in anderen nordischen Ländern nicht so wie in Schweden. Übrigens stand (und steht) der Begriff „Nordisches Modell“ für die Wirtschafts- und Sozialordnung der nordischen Ländern – die Verengung auf ein Prostitutionsmodell ist Propaganda der Radikalfeministinnen. Tatsächlich müsste man hier vom „Schwedischen Modell“ sprechen.
20 Freier am Tag? Das sollte wohl eine seltene Ausnahme sein. Aber Frau Schon kann uns ja mal belegen wer und wo soviele Freier pro Tag bedient. Die Zahlen hat sie ja offensichtlich.
Das Gerede vom „Patriachat“ ist im Grunde eine Verschwörungstheorie. Schade das die „Sensor Wiesbaden“-Redaktion hier solchen Radikalen einen Platz bietet und deren Angaben anscheinend ungeprüft übernimmt. Denn gerade bei diesem Thema wäre kritischer Journalismus wirklich nötig um sich nicht zum Büttel von Radikalfeministinnen zu machen, die mit ihren Theorien am Ende armen Menschen schaden.
Sie schadet in erster Linie aus der Zeit gefallenen Männern, die fürchten, ihr Privileg auf ständig verfügbare Frauen zu verlieren. Man nennt diese Männer auch blasphemisch Freier. Aus der Armut im Heimatland zu fliehen, um sich von deutschen Männern sexuell ausbeuten zu lassen, ist eine Sackgasse. Nutznießer sind einzig und allein Freier, Zuhälter und Bordellbetreiber. Die braucht niemand.
Winkler: Stimme voll zu.
Ich spreche in der Tat lieber vom „schwedischen Ansatz“ als vom „Nordischen Modell“. Da es inzwischen auch nichtnordische Länder wie Israel, Kanada, Frankreich oder Irland gibt, die den Ansatz übernommen haben, sprechen viele vom „Equality Modell“. Nichtsdestotrotz: Wer das Buch liest, versteht warum der Norden hier verallgemeinert wird, denn der feministische Standpunkt ist auch in Dänemark (und Finnland) der Gleiche.
Das mit den 20 Freiern pro Tag ist in diveren Studien belegt, von Beratungsstellen verbrieft und kann man sich auch ganz leicht ausrechnen, wenn man weiß was zum Beispiel ein Zimmer pro Tag in einem Frankfurter Laufhaus kostet, wie niedrig die Preise sind und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nur ausbeuterische Zuhälterei in Deutschland strafbar ist und bis zu 50% der Einnahmen von einer Dritten Person (zusätzlich zu Zimmermiete und Pauschalsteuer an den Staat) einbehalten werden dürfen durch den Zuhälter. Insofern: Vielleicht einfach mal kundig machen?