Das „wir“ in Wiesbaden wird im November und Dezember wieder groß geschrieben. Um Vielfalt und Demokratie zu stärken, animiert die Initiative WIR in Wiesbaden mit 32 Veranstaltungen an verschiedenen Orten unter dem Motto „mehr wert schätzen“ Menschen der ganzen Stadt zum Diskutieren, Mitmachen und Mitgestalten.
2011 noch vom Trägerkreis für Erinnerungskultur und Integration organisiert, konnte WIR in Wiesbaden dieses Jahr über 30 Einrichtungen und Institutionen als Träger für sich gewinnen, darunter die Jugendinitiative Spiegelbild, die Hochschule Rhein-Main, das Amt für Zuwanderung und Integration, Warmes Wiesbaden e.V., den Kulturpalast, wi&you und den Schlachthof. Ebenso viele Partner beteiligen sich an dem Projekt indem sie Veranstaltungen organisieren oder Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Wie 2012 schon „Teil sein, Teil haben, Vielfalt leben“ dürfte auch das diesjährige Motto „mehr wert schätzen“ den Nerv der Stadt treffen. Schließlich ist jeder von der Ökonomisierung der Gesellschaft betroffen, die zuletzt durch die Eurokrise noch stärker vorangetrieben wurde.
Ökonomisierung der Gesellschaft
Die Vorsitzenden des Trägerkreises WIR in Wiesbaden, Gabi Reiter, Christoph Rath, Hendrik Harteman und Michael Weinand, sehen das Bedürfnis nach mehr Teilnahme in Wiesbaden durch die positiven Reaktionen der letzten zwei Jahre bestätigt. So ist das Amt für Zuwanderung und Integration vom Partner zum Träger geworden und unterstützt WIW dieses Jahr mit 4.000 Euro. Größter Träger mit 30.000 Euro ist weiterhin der Lokale Aktionsplan „Toleranz fördern. Kompetenzen stärken” in Wiesbaden-Biebrich, der vor vier Jahren vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ins Leben gerufen wurde.
„Wir möchten zum Nachdenken darüber anregen, wie der Mehrwert eines Menschen im beruflichen wie im gesellschaftlichen Leben geschätzt wird und ob es vielerorts an bedingungsloser Wertschätzung des Einzelnen, so wie er oder sie eben sein mag, mangelt“, erklären die Veranstalter das Thema. Darunter verstehen sie natürlich nicht nur den Mensch als Wirtschaftsfaktor. Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus geht ebenfalls die „Abwertung“ eines Menschen voraus. Was dies für unser Zusammenleben und die Demokratie bedeutet, möchte WIR in Wiesbaden in zahlreichen, vielfältigen Veranstaltungen, Workshops, Vorträgen und Seminaren herausfinden und animiert, vom Student bis zum Senior, jeden an der Gestaltung unserer zukünftigen Gesellschaft mitzuwirken.
Engagieren – aber wo?
Zur feierlichen Eröffnung der Veranstaltungsreihe lädt WIW am Samstag, 2. November, herzlich in den Festsaal im Rathaus ein. Der ehemalige Stadtrat für Schule und Kultur, Peter Joachim Riedle, wird auf ganz persönliche Weise seine Gedanken zum Motto „mehr wert schätzen“ vortragen, gefolgt von Grußworten gesprochen von Oberbürgermeister Sven Gerich, Sozialdezernent und Bürgermeister Arno Goßmann und Rose-Lore Scholz, Dezernentin für Schule, Kultur und Integration. Jazz-Musik sorgt bei der kurzweiligen Feier für lockere Atmosphäre. Fast Zeitgleich bietet die Volkshochschule mit dem Seminar „Wie und wo kann und will ich mich engagieren?“ von 14 bis 18 Uhr eine Orientierungshilfe für motivierte Bürger an. Die Teilnahme ist kostenlos, um Anmeldung wird jedoch gebeten.
Das Pariser Hoftheater präsentiert am Mittwoch, 6. November, in Zusammenarbeit mit attac Wiesbaden den Film „Angriff auf die Demokratie“ von Romuald Karmakar, der die Gefährdung der Demokratie in der Europäischen Union durch die Wirtschaftskrise behandelt. Im Anschluss wird selbstverständlich diskutiert. Am Freitag, 8. November, stellt der Stadtjugendring Wiesbaden seine Projektreihe „WIR sind Obst!“ auf dem Schlossplatz vor, bei der Oberbürgermeister Sven Gerich die Schirmherrschaft übernimmt. „WIR sind Obst“ bietet, begleitend zu WIR in Wiesbaden, zahlreiche Angebote für Kinder und Jugendliche. Um Vielfalt und Toleranz geht es am 27. November zum Beispiel in dem Film „Leroy“, 18.30 Uhr im Murnau Filmtheater. Die satirische Liebeskomödie aus Deutschland erzählt die Geschichte des gleichnamigen schüchternen, doch intelligenten deutschen Jungen, der zufällig auch schwarz ist. Zu Gast ist Regisseur Armin Völckers und steht nach dem Film für alle Fragen offen.
Bildung als Wirtschaftsfaktor
Zum ersten Mal ist dieses Jahr der AStA der Hochschule RheinMain als Partner dabei und widmet sich den Problemen, denen sich Studenten in Wiesbaden und an anderen deutschen Hochschulen und Universitäten allgemein stellen müssen. Denn auch in den Wissensbetrieb hat die Ökonomisierung ihre Krallen geschlagen. Die Veranstaltung „Mehrwert der Bildung?“, 20.11., Campus Kurt-Schumacher-Ring, Gebäude A, 18.30 Uhr, greift mit dem provokanten Untertitel „Eine Veranstaltung mit Bulimielernen und Creditpoint-Weight-Watchers“ das Dilemma heutiger Studierender auf, die zwischen freier Enthaltung und ökonomischen Druck den Fokus für das Wesentliche verlieren.
Am 13. November wird die Wartburg Schauplatz der Asyl-Monologe. Das dokumentarische Theaterstück erzählt drei Geschichten von Menschen auf ihrem Weg zu Gerechtigkeit und Freiheit. Die Produktion des Berliner Vereins Bühne für Menschenrechte wurde schon in 60 Städten aufgeführt. Im Anschluss findet eine Nachbetrachtung mit dem Regisseur und Autor Michael Ruf und einer Vertreterin des Flüchtlingsrates Wiesbaden statt. Wert anhand von Äußerlichkeiten – darunter leiden in unserer Gesellschaft vor allem Frauen. In Frauenbilder – Körperbilder startet das Frauenmuseum am 14. November, 14.30 bis 16.30 Uhr, einen interkulturellen Dialog. Einer kunstgeschichtlichen Einführung in die Ausstellung KörperBilder folgt eine Gesprächsrunde über die kulturell vielfältigen Lebenswirklichkeiten von Frauen. Weitere, spannende Veranstaltungen widmen sich unter anderem der Armutszuwanderung, ehrenamtlichem Engagement, Religion und Atheismus.
Ebenfalls im Rahmen von WIR in Wiesbaden läuft noch bis zum 23. November die Ausstellung „Die Mädchen von Zimmer 28, L410, Theresienstad“ im Aktiven Museum. Während des gesamten Veranstaltungszeitraums zeigen Nachwuchsfilmemacher das Videoprojekt „Moment mal, wir auch in Wiesbaden“ in verschiedenen Kinos der Stadt. Vom 4. bis 7. November werden außerdem im Foyer des Rathauses zwei ausgewählte Projekte aus fünf Jahren Netzwerkarbeit ausgestellt. In dem Fotoprojekt „Überdenke deine Einstellung“ der städtischen Kinder- und Jugendzentren reflektierten Jugendliche 2012 ihre öffentliche Wahrnehmung und der Stadtjugendring begleitete 2009 eine Gruppe Jugendlicher bei der Erarbeitung von „Comics gegen Nazis“.
Das komplette Programm für November und Dezember findet sich auf wir-in-wiesbaden.net