Wann haben Sie das letzte Mal ehrlich geantwortet,
liebe sensor-Leser:innen, auf die Frage: „Wie geht es dir?“. Oder umgekehrt: Wann haben Sie das letzte Mal genau hingehört, vielleicht nochmal nachgefragt und nachgehakt, wenn Ihnen jemand geantwortet hat auf diese Frage? „Danke, gut“ ist schnell gesagt. Aber ist es auch immer so gemeint?
In vielen Fällen, bei vielen Menschen, eher nicht, bei manchen Menschen ganz und gar nicht. Uns geht es oft nicht so gut, wie wir tun, und doch sagen wir am liebsten „Danke, gut“. Frage beantwortet, Thema erledigt. Wirklich?
Mentale Gesundheit, psychisches Befinden sind Themen, die selbstverständlicher sind als der Umgang damit, oder oft eben der Nicht-Umgang. Es ist, für einen selbst wie auch für das Umfeld, oft ein Thema, das schwer greifbar ist, das verunsichert, das voller Grauzonen ist. Was ist nur mal natürliches und vorübergehendes Unbehagen, was ist – oder wird – ernsthafte Erkrankung? Was sollte angesprochen und besprochen werden, was ist „nicht der Rede wert“?
Wir müssen reden! Das eine Kernbotschaft, eine grundlegende Erkenntnis unserer Titelgeschichte zum Thema „Mental Health“. Und: Wir dürfen reden! Niemand muss sich scheuen, Hilfe zu suchen, und keiner sollte Angst haben, „falsch“ zu helfen. Und niemand muss denken, mit seinen Problemen allein zu sein. Im Gegenteil. Unsere Fotografin Samira Schulz, die das Thema ganz großartig in Bilder umgesetzt hat, berichtet mir, wie sie dieser Tage in einem Lokal saß und um sie herum sich plötzlich gefühlt alle Gespräche um dieses Thema drehten. Es war keine Therapiestunde. Es war einfach ein Lokal in unserer Stadt an einem beliebigen Abend dieses Sommers. Es wird also geredet. Gut so.
Nun ist Hilfe nicht immer in dem Umfang, und schon gar nicht zu dem Zeitpunkt verfügbar, wie und wann sie gebraucht wird. Das ist besonders bitter, weil es manchmal nur ein Moment ist, der über den Fortgang einer persönlichen Geschichte entscheiden kann. Aber: Irgendwer kann immer helfen, auch akut, und sei es erstmal der Hausarzt. Oder auch zertifizierte Ersthelfer:innen für psychische Gesundheit. Richtig klasse ist, dass dieses Angebot für Kurse, die kompakt aber wirkungsvoll Grundwissen über psychische Störungen und den Zugang zu Betroffenen vermitteln, jetzt von Wiesbaden aus bundesweit bekannt gemacht und vermittelt wird.
Sie lesen Grundlegendes und Persönliches zum Thema Mentale Gesundheit in dieser Ausgabe und in kommenden Ausgaben. In dieser Ausgabe, mit der wir uns aus unserer Sommerpause zurückmelden, lesen Sie außerdem wie immer, was und wer die Stadt bewegt und prägt.
Der Sommer neigt sich dem Ende zu, noch längst nicht vorbei ist die Festivalzeit. Verpassen Sie bloß nicht die „Wiesbaden Biennale“ unter neuer Leitung, Kurator Kilian Engels hat uns für diese Ausgabe 2×5 Fragen beantwortet. Großartig war auch das „F.U.C. Fragments of Urban Culture“-Festival, mit der die Kreativfabrik ihr zwanzigjähriges Bestehen feierte. Grund genug für ein Vereinsporträt dieser Brutstätte der Subkultur in der Oktober-Ausgabe. Und super wird sicher auch wieder das Wakker-Festival am 10. September am Wallufer Platz.
Dirk Fellinghauer, sensor-Nachfrager
(Foto: Mustafa Albash)