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Einfach mal raus (1): Der mystische Weg in Schlangenbad

Von Alexander Michel. Fotos Dagmar Rittner.

Einfach mal raus. In loser Folge stellen wir Ausflugsziele rund um Wiesbaden vor. Diesmal: Der Mystische Weg in Schlangenbad

Schlangenbad gilt als ältestes anerkanntes hessisches Heilbad. Lange bevor die Kurstadt Wiesbaden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Glanz der Kaiserzeit erstrahlte, schrieben über hundertfünfzig Jahre zuvor schon prominente Adlige wie Liselotte von der Pfalz in ihren Briefen über das „Schlangenbadt“. Mitten in einem geschützten Tal gelegen, hat der verträumte Ort mit seinen gerade mal knapp 6000 Einwohnern bis heute nichts von seinem Zauber verloren. Von hier erstrecken sich die hohen Buchenwälder des Taunus, und an sonnigen Tagen erwärmt sich das Tal derart, dass selbst an mediterranes Klima gewohnte Äskulapnattern die Natur um den Ort herum als Zuhause auserkoren haben – und die Gemeinde genau diese Natter zu ihrem Wappentier.

Neue Wanderwege

Doch nicht nur die geschuppten Tierchen oder Schlangenbads Kurstatus machen diesen Weg hinaus aus Wiesbaden zu einem lohnenden. Seit Frühjahr dieses Jahres schlängeln sich neben den Äskulapnattern auch vier neue, ausgezeichnete Wanderwege um Schlangenbad herum. Keine Sorge: Man muss kein Backpacker sein. Einige dieser Wege davon lassen sich sogar als ambitionierte Spaziergänge am Nachmittag absolvieren.

Besonders verheißungsvoll klingt der rund sieben Kilometer lange „mystische Weg“, der seinen Anfang am Ende des Schlangenbader Kurparks nimmt. Vom gebührenfreien Parkplatz aus sind es nicht einmal fünf Minuten, bis man den Waldrand erreicht, den eigentlichen Ausgangspunkt der Wanderung. Ausgeschildert mit gut sichtbaren, violetten Plaketten, lässt sich dieser Weg selbst ohne GPS oder andere Hilfsmittel gut erlaufen, ohne dass man sich verirrt.

„Wilder Mann“ und „Wilde Frau“

Keine weiteren zehn Gehminuten vom Startpunkt entfernt fallen aufmerksamen Wanderern prägnante Felsformationen auf, welche fantasievoll „Wilder Mann“ und „Wilde Frau“ getauft wurden. Zwischen moosbewachsenen Kieferhainen gelegen, entfacht die raue, in der letzten Eiszeit entstandene Felsgruppe vor allem im fein durch das Blätterdach strahlende Sonnenlicht ihren natürlichen Zauber und ist sicherlich ein Fotomotiv wert.

Der zweite Teil der Tour führt zu dem über Schlangenbad gelegenen „steinernen Tisch“ – eine kleine, unterhalb des Hansenkopfs gelegene überdachte Sitzgruppe, die sich um den besagten Steintisch gruppiert. Interessant ist vor allem die Hintergrundgeschichte. Noch vor wenigen Jahren zierte die Gruppe eine gänzlich andere, weniger historische Steinplatte. „Der Grund ist einfach: Die originale Steinplatte wurde 1987 durch Unbekannte vom Sockel gehoben und den Hang hinabgeworfen“, erklärt Michael Wilhelm den Umstand.

Verschollene Steinplatte

Wilhelm ist so etwas wie ein Experte der Geschichte dieses steinernen Denkmals. Gemeinsam mit seiner Schwester, der am Landesamt für Denkmalpflege beschäftigten Restauratorin Angelika Wilhelm, erkor er sich vor knapp drei Jahren das Artefakt zum privaten Forschungs- und Restaurierungsprojekt. Ausschlaggebend war, dass der befreundete damalige Ortsvorsteher Michael Winter die lange Zeit verschollene originale Steinplatte in unvollständigen Bruchstücken, verborgen unter einer dicken Schicht Laub, wiederentdeckt hatte.

Einige Fördergeld-Überweisungen und eine fachgerechte Restaurierung später sitzt die historische Steinplatte heute wieder dort, wo sie sicherlich auch vor über hundert Jahren angestrengten Kurgästen als Ort der Rast diente. Wilhelm vermutet, dass es sich bei dem „sehr alten Stein“ um einen abgenutzten Mahlstein einer Ölmühle handelt, denn der äußere Rand ist aufgrund der Nutzung dünner als die Mitte.

Mysteriöse Zeichen

Mysteriös sind auch die am Außenrand des Steins eingemeißelten Buchstaben. Einige davon lassen sich sogar entziffern, darunter das Wort „Christ“ und einige französische Ausdrücke. „Dabei muss man bedenken, dass diese Eingravierungen im Laufe der Zeit aus ganz unterschiedlichen Gründen und von verschiedenen Urhebern entstanden sein können, die sich dort vielleicht verewigen wollten“, erklärt Wilhelm. Den Ursprung des Steins werde man wohl nie mit genauer Sicherheit feststellen können.

Hexentanz und herrliche Blicke

Zum „mysteriösen“ oder vielmehr „mystischen“ Prädikat trägt neben dem Steintisch geheimnisvollen Ursprungs auch der etwas oberhalb gelegene Hexentanzplatz bei. „Wie bei vielen dieser ominösen Plätze wurde erst sehr viel später die Geschichte hinzugedichtet, dass hier Hexen ihr Unwesen getrieben hätten“, erklärt Wilhelm. So hieß die Stelle um 1900 noch Tanzplatz, bis sie in den 1920ern dann romantisiert und mit Hexenwerk angereichert wurde. „Fest steht, dass der Platz irgendwann im Mittelalter künstlich aufgeschüttet und wahrscheinlich als militärischer Aussichtspunkt diente, um im Falle eines Angriffs schnell ein Signal abzugeben“, so Wilhelm. Das Ganze macht Sinn, hat man doch von dort oben einen herrlichen Blick über das gesamte Tal bis hinauf zur Hohen Wurzel. Immerhin hat man an diesem Punkt schon um die 250 Höhenmeter zurückgelegt.

Historischer Eiskeller

Der Rückweg gestaltet sich dann schon weniger anstrengend. Einigen schmalen Waldpfaden durch dichtes Gestrüpp folgend, erreicht man irgendwann einen Abschnitt des Rheinhöhenweges, der mit einer Gesamtlänge von rund 530 Kilometern an beiden Rheinseiten entlang bis zum Oberrhein führt. Für den besagten Nachmittag reicht dann doch ein wesentlich kürzerer Abschnitt, der nebenbei an einem historischen Eiskeller aus dem 19. Jahrhundert führt. Diesen erkennt man jedoch erst beim genaueren Hinsehen, hat sich doch mittlerweile ein großes Dickicht um den ansonsten unauffälligen Bau gebildet. Sein Name verrät auch zugleich seinen Zweck: „Damals waren die Kurbetriebe und Gastronomien in Schlangenbad auf Eis angewiesen, welches man im Winter in großen Schollen in derartigen Kellern lagerte“, weiß Michael Wilhelm zu berichten.

Nach etwa zwei Stunden ist dann wieder den Startpunkt des „mystischen“ Rundwanderwegs erreicht. Ein Pluspunkt: Im Kurort erwarten den erschöpften Wanderer dann entweder die großartigen Thermalbäder und Saunen oder eine entspannte Einkehr im kleinen Kuchenladen in Schlangenbad, der donnerstags bis sonntags ab 14 Uhr geöffnet ist und Kaffee, Kuchen sowie Eis zum Mitnehmen anbietet.

Weitere Informationen und Anregungen rund um das Ausflugsziel Schlangenbad auf www.schlangenbad27grad.de

Welche Ausflugsziele rund um Wiesbaden kennt ihr oder würdet ihr gerne mal erkunden (lassen): Wir freuen uns auf eure Tipps und Hinweise per Mail an hallo@sensor-wiesbaden.de, Betreff: Einfach mal raus.

1 response to “Einfach mal raus (1): Der mystische Weg in Schlangenbad

  1. Hallo lieber Sensor, warum richtet sich dieser Artikel denn nur an Wandernde, die mit dem Auto anreisen? Ein Hinweis, wie man dort mit dem Bus/Rad hinkommt wäre auf jeden Fall noch wünschenswert.

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