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Klasse dank Masse: Kulturförderung per Crowdfunding – „kulturMut“-Bewerbungsschluss am 28. Februar

Von Dirk Fellinghauer. 

Die freie Kunst- und Kulturszene klagt oft über fehlende finanzielle Mittel. Bei der Suche nach Förderung kann sich auch der Blick über städtische und staatliche Fördertopf-Ränder hinaus lohnen. Zum Beispiel in Richtung Crowdfunding.

Ein Buch über städtische Zimmerpflanzen, die Produktion einer eigenen CD, eine ausgefallene Konzertreihe, ein spezielles Filmfestival oder ein Buchprojekt. Autoscooterkino, eine Orchesterreise, Ausstellungsidee oder After-Work-Konferenzreihe. Alles ganz unterschiedliche kulturelle Vorhaben, alles Fälle für „kulturMut“. So heißt die erste kontinuierliche, kuratierte Crowdfunding-Plattform für Kulturprojekte im Rhein-Main-Gebiet.

Ungewöhnliche Allianz

Das innovative bundesweit tätige Berliner Start-up Startnext, die klassische Stiftung Aventis Foundation und der Kulturfonds Frankfurt RheinMain haben sich zusammengetan, um der freien Szene in der Region finanziell auf die Sprünge zu helfen. Die Allianz ist ungewöhnlich – und sie trägt Früchte. „Eine Erfolgsgeschichte“ nennt der Geschäftsführende Vorstand der Aventis Foundation, Eugen Müller, „kulturMut“ im Rückblick auf die nun schon fünfjährige Laufzeit. Seit 2013 wurden als jährliche Kampagne über 110 Kulturprojekte erfolgreich finanziert.

Ab diesem Jahr können sich Projekte das ganze Jahr über bewerben, an drei Stichtagen im Jahr entscheidet eine Jury, wer ins Rennen geht. Wer dabei ist, profitiert von individueller kostenfreier Beratung und Webinaren zu den Tricks und Kniffen einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne – und bekommt direkt 25 Prozent der Gesamt-Fundingsumme, die auf 15000 Euro begrenzt ist, als Startgeld spendiert.

Geld, Community, Vernetzung

Kulturfonds-Geschäftsführer Helmut Müller gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er über „kulturMut“ spricht. Ihn fasziniert die Idee der Schwarmfinanzierung: „Wenn Sie einen großen Sponsor oder Mäzen haben, und der springt plötzlich ab, ist alles weg. Wenn von fünfhundert Unterstützern in der Crowd drei Leute keine Lust mehr haben, Sie zu unterstützen, ist das gar kein Problem.“

Außerdem begeistert ihn, dass eine Crodwfunding-Kampagne ein idealer Weg sei, ein Publikum bereits aufzubauen und mit diesem in Kontakt zu treten, bevor das Projekt tatsächlich realisiert ist. Überhaupt geht die Idee der Plattform über herkömmliche Kulturförderung hinaus und soll auch das „Community“-Prinzip fördern, zu der auch die Vernetzung der freien Szene untereinander gehört.

Kein Selbstläufer

Je konkreter, nachvollziehbarer und zugänglicher eine Projektbeschreibung sei, desto besser komme sie bei der „Crowd“ an, hat Helmut Müller festgestellt. Sein Namensvetter von der Aventis Foundation betont, dass Crowdfunding kein Selbstläufer sei: „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass man sein Projekt einfach ins Internet stellt, und dann kommt die Unterstützung von alleine. Crowdfunding bedeutet schon ein Stück Arbeit für die Projekte.“ Für viele sei die Teilnahme bei „kulturMut“ auch ein „Intensivkurs in Sachen Selbstvermarktung“.

Der Weg über die Online-Plattform erschließt auch für die Stiftung ganz neue Zielgruppen – Kulturschaffende und Initiativen, „die sonst vielleicht nie einen Antrag auf Förderung bei uns gestellt hätten“, vermutet Eugen Müller und freut sich, dass nun auch Projekte, „die wir sonst nie erreicht hätten“, von den Fördertöpfen der Stiftung profitieren. Ein wesentlicher Faktor sei die Transparenz. Klassische Kulturförderung finde oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, so dass Kriterien für Entscheidungen meist verborgen blieben.

Beide Herren Müller betonen, dass Crowdfunding-Kamapgnen ein zusätzlicher Hebel der Kulturfinanzierung seien, die öffentliche Förderung nicht ersetze, sondern ergänze. „kulturMut“ ist offen für zusätzliche Förderer. Kommunen, Vereine oder weitere Stiftungen, sind willkommen, als zusätzliche Partner „Kultur für alle in der Metropolregion zu stärken“.

Luft nach oben

Eugen Müller hat den Eindruck, dass – auch wenn er mit der Resonanz auf das eigene Projekt insgesamt sehr zufrieden ist – viele Akteure im Kulturbetrieb die Möglichkeiten des Crowdfunding noch nicht so sehr auf dem Schirm haben. Er selbst („ich bin ja über 60“) fand und findet die Zusammenarbeit mit den jungen Crowdfunding-Experten von Startnext immer äußerst befruchtend: „Das macht sehr viel Spaß.“ An der Wiesbadener Kulturszene, die oft – und berechtigt – über miese (finanzielle) Arbeitsbedingungen klagt, scheint das „kulturMut“-Potenzial bisher noch ein wenig vorbeigegangenen sein. Auf der aktuellen Liste bisher eingereichter Projekte ist „Wiesbaden“ als Herkunftsort der Bewerber nur vereinzelt zu finden. In den letzten fünf Jahren wurden gerade mal Nassauischer Kunstverein („Hier! Und jetzt? Unterstützung geflüchteter Künstler), Rheingauer Film-Symphoniker, Kooperative New Jazz (Konzertreihe „Panakustika“), Freies Theater Wiesbaden („Schweigen  – ein Theaterprojekt“) gefördert. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden – bei der aktuellen Runde bis zum Bewerbungsstichtag am 28. Februar. Nur (kultur-)Mut!

www.kulturmut.de, www.startnext.de/kulturmut