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Lebenswege: Tonton, der Meistertrommler aus Guinea, hat sein Glück gefunden – und verbreitet es weiter

Von Carola Pahl. Fotos Nele Prinz.

Das westafrikanische Guinea ist eine Militärdiktatur mit einer Analphabetenrate von 56 Prozent, einer Lebenserwartung von 42 Jahren und Platz 139 von 167 auf der Korruptionsskala von Transparency International. Wie wird man international anerkannter Meistertrommler, wenn man in diesem Land geboren ist? Mit Talent, natürlich. Aber auch mit Glück. Tonton ist ein  Meistertrommler, ein Djembefolla aus Guinea. Tonton ist sein Künstlername, es bedeutet so viel wie „Onkel“ im guten, respektvollen Sinn. Mit viereinhalb Jahren musste Tonton auf die drei Kinder, die seine Mutter mit ihrem neuen Mann hatte, aufpassen. Sie ließen ihn den ganzen Tag allein, abends schlug ihn der Stiefvater. Er flüchtete zur Oma, wo es ihm nicht besser erging. Er musste putzen und durfte nicht zur Schule gehen.

Man sagte zu ihm: Du Null, geh doch zu deinem Vater. Was er dann auch tat. Er machte sich auf den Weg in ein Dorf in der Nähe der Hauptstadt Conakry. Dort wohnte sein Vater. Er war Trommler, spielte Conga, aber seinen Lebensunterhalt verdiente er als Elektriker: „Bei uns als Musiker Geld zu verdienen, das kannst du vergessen!“

Spontan-„Adoption“ mit Folgen

Eines Tages nahm ihn sein Vater mit zur Arbeit bei Famoudou Konaté – ein Griot und einer der ganz großen international bekannten Djembé-Meistertrommler. Jeder, der sich mit afrikanischem Trommeln beschäftigt, kennt seinen Namen. Die Griot sind eine Künstlerkaste, die wichtige gesellschaftliche Aufgaben erfüllen, sie sind Überlieferer mündlicher Traditionen des Volksstamms der Madinke. Der kleine Tonton stieg bei Famoudou aufs Dach und zog die Kabel für seinen Vater, „damit der Famoudou Strom bekam“. Famoudou fand Gefallen an dem kleinen Tonton, er war stark und intelligent. Er sagte zu Tontons Vater: „Ich möchte, dass dein Sohn bei mir bleibt.“ Der Vater erwiderte: „Frag ihn.“ Famoudou fragte ihn, und Tonton hakte nach: „Für was soll ich dableiben?“ Und die Antwort war: Um Trommeln zu lernen. Das gefiel Tonton gut, und er blieb bei Famoudou als „Adoptivsohn“.

In den Achtziger Jahren kamen die Europäer, um in Afrika Trommeln bei Famoudou Konaté zu lernen. Sie liebten den kleinen Tonton. Er wusch ihre Wäsche, und sie trugen ihn herum, kauften ihm Sachen, lobten ihn für sein Trommelspiel. Mit 16 Jahren hatte er seine erste deutsche Freundin, die ihn gleich mitnehmen wollte. Doch das erlaubte Famoudou nicht, er sei noch zu jung. Als er 18 war, ließ Famadou ihn zu seiner Deutschland-Tournee nachkommen.

Plötzlich fliegt das Flugzeug weg – ohne ihn

Tonton landete 1993 in Hamburg und sollte gleich wieder zurückgeschickt werden. Etwas war mit seinem Pass nicht in Ordnung. Die afrikanischen Behörden hatten eine handschriftliche Änderung vorgenommen. „Für Afrika ist das okay aber hier ist das schlecht. Vier Stunden lang haben sie mich im Flughafen festgehalten. Dann plötzlich fliegt mein Flugzeug weg.“ Die deutsche Freundin hat Tonton geholfen, frei zu kommen. Sie hat bezeugt, dass er bei ihr wohnt. Seitdem war Tonton jedes Jahr drei Monate im Ausland. Bekannte luden ihn ein und schickten Flugtickets. Er gab überall Konzerte und Workshops, in Frankreich, Belgien, Kroatien, Prag, Helsinki, Schweden, U.S.A., Dubai. „Dass ich meine Kultur mit anderen teilen kann, macht mich glücklich. Dass ich auf der Bühne stehen und meine Kraft anderen Menschen schenken kann und dass sie mitmachen können und auch glücklich sind!“

Drei Jahre später heiratete Tonton eine deutsche Frau und blieb in Deutschland. Mittlerweile ist er seit zehn Jahren mit einer Afrikanerin verheiratet. Er lebt mit ihr und fünf Kindern im Alter von 11 Monaten bis 16 Jahren am Mittelrhein, gut gelegen für seine Trommelkurse auch in Wiesbaden. Er wünscht sich, dass seine Kinder einen Arbeitsplatz bekommen und eine gute Zukunft haben: „Egal ob in Deutschland oder Afrika, egal wo sie hingehen, sie sollen auf eigenen Beinen stehen und etwas erreichen.“ Seine Tochter möchte Politikerin werden, und sein Sohn interessiert sich für ein Handwerk.

Tonton liebt Musik und lebt von der Musik. Wenn er einen Job bekommen könnte, als Küchenhilfe („Ich koche sehr gut“), als Verpacker oder als Hilfsarbeiter in einer Klinik, würde er gerne tagsüber zur Arbeit gehen. Trommelunterricht und Konzerte sind sowieso abends. Manchmal bedauert Tonton, dass er keinen Handwerksberuf gelernt hat. Doch bis jetzt läuft es gut. „Mein Trommeln, meine Musik machen mich glücklich. Bis heute hab ich es immer geschafft. Und was morgen kommt, weiß nur Gott.“

Zwei Schulen in der Heimat gebaut

Tonton möchte, „dass die Welt wieder in Ordnung kommt“. Sein Beitrag dazu: Er hat von seinem selbst verdienten Geld zwei Schulen in seiner Heimat gebaut. „Ich selbst war nie in der Schule gewesen. Und ich weiß: Hier in Europa bist du verloren ohne Schulbildung. Ich bin immer abhängig von anderen Menschen.“ Die Kinder können die Schulen in Conakry, Guinea, kostenlos besuchen, die Lehrer werden vom Wiesbadener Verein „Freunde Afrikas“ bezahlt. 25 Euro im Jahr kostet eine Patenschaft für ein Kind.  Tonton freut sich, wenn er die Welt ein bisschen besser machen kann. „Ich habe keine Probleme in Deutschland. Nur eines: Es ist kalt. Das macht mich krank. Sonst ist alles okay.“

Tonton tritt neben vielen anderen Künstlern auf bei der „Nacht der Trommeln“, der Afro-Karibik-Party mit Livemusik zum zehnjährigen Bestehen des Vereins „Freunde Afrikas“ am Samstag, 29. April, ab 19 Uhr im Tattersall. Das volle Programm und alle Infos hier:  www.black-magic-afrika.de 

www.tonton-djembe.de, www.freunde-afrikas.de