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Mehr als Musik! Inniger Freundeskreis, spannendste Bandprojekte, besonderer Konzertabend: Circus Collective

Text: Hendrik Jung. Fotos: Frank Meißner.

Die Chemie stimmt einfach. Die einen leben mittlerweile in einer Wohngemeinschaft mit angeschlossenem Proberaum zusammen. Andere sind gar ein Paar. Und von dem halben Dutzend Musikern, die sich an einem schönen Spätsommersonntag zum Gespräch am Proberaum von The Blind Circus einfinden, sind mit einer Ausnahme alle in mindestens gleich zwei der heimischen Bands aktiv, die nun am kommenden Samstag gemeinsam das „Circus Collective“-Festival im Kesselhaus bestreiten. Sieben Formationen werden  sich dabei Schlagzeug und Verstärker teilen. „Möglichst wenig Umbaupausen, möglichst viel Musik machen“, lautet das Vorhaben. Darüber hinaus teilen sie jedoch noch viel mehr. Hinter dem Projekt steckt ein Freundeskreis, dem Wiesbaden einige seiner spannendsten Bandprojekte verdankt.

Bestes Beispiel ist die Formation, die zuletzt gegründet worden ist. Das Folk-Quartett Tramlites setzt sich zur einen Hälfte aus Mitgliedern der Stoner Rock-Formation Blind Circus und zur anderen Hälfte aus der dem Folk verpflichteten Band Kenneth Minor zusammen. Diese beiden – der als Bird bekannte Jörg Christiani und seine Freundin Athena Isabella – haben auch das Konzept für die Veranstaltung im Kesselhaus entwickelt: Jede der beteiligten Bands hat zwanzig Minuten Zeit hat, um ihre eigenen Songs vorzustellen, dabei können sie aber von Mitgliedern der anderen Formationen unterstützt werden. Die Umbaupausen nicht nur kurz, sondern auch kurzweilig sein. Dafür sorgt André Georg Haase mit seinen Moderationen.

Wer eine rauchen gehst, verpasst etwas

„Wir wollen das Gefühl kreieren: Wenn du eine rauchen gehst, verpasst Du etwas, was es so sonst nicht mehr gibt“, erläutert Bird Christiani. Das wird sich nicht nur für die Gäste so anfühlen, sondern auch für die Beteiligten. Denn auch wenn sich alle Formationen im Spannungsfeld aus Blues, Rock und Folk bewegen, so sind die atmosphärischen Unterschiede etwa zwischen dem Programm der Tramlites und von The Blind Circus groß. „Ich werde das erste Mal zwei ganz unterschiedliche Konzerte an einem Abend spielen. Das ist, als wenn man in Urlaub fährt, aber an zwei ganz unterschiedliche Zielorte“, zeigt sich  Achim Müller, der in beiden Bands Bass spielt, vorfreudig gespannt. Gemeinsame Gigs der Akteure hat es auch in der Vergangenheit etliche gegeben, was nach Ansicht von Okta Logue-Schlagzeuger Robert Herz durchaus zu gegenseitiger Inspiration geführt hat. Zumal das Rockquartett ohnehin versuche, sich bei jedem Album – im Moment ist ein neues in Arbeit – musikalisch neu zu erfinden.

Eine entscheidende Verknüpfung im Netzwerk ist entstanden, als Robert und Bird sich über das legendäre Frankfurter Label Hazelwood kennengelernt haben. Erst hat Okta Logue als Support von Kenneth Minor gespielt, später ist es dank der erfolgreichen Promotion von Hazelwood für Okta Logue umgekehrt gewesen, und vor sieben Jahren sind beide Bands gemeinsam mit dem aus Friedberg stammenden Folk-Quartett Bees Village bei Folklore am Schlachthof aufgetreten. Zur gleichen Zeit wie diese Verbindung ist auch diejenige von Okta Logue zu The Blind Circus entstanden, die zu zahlreichen gemeinsamen Auftritten geführt hat. „Ich habe Robert das erste Mal im alten Bett in Frankfurt Schlagzeug spielen sehen. Mit 15 Jahren. Das war schon beeindruckend“, erinnert sich Achim Müller.

Leidenschaftlich relevant

So unterschiedlich zum Teil das musikalische Genre ist, so ausgeprägt ist die gemeinsame Leidenschaft für selbst geschriebene, ausdrucksstarke und inhaltlich relevante Musik. Kein Wunder, dass auch die Verbindung zwischen Kenneth Minor und der damals noch im Blues Rock beheimateten Formation Fooks Nihil bei einem Gespräch nach deren Konzert in der Kreativfabrik zu Stande gekommen ist. „Max hat Gitarre gespielt wie Jimi Hendrix und gesungen wie George Harrison“, erinnert sich Bird Christiani an seine erste Begegnung mit Max Ramdohr. Diese hat, wie könnte es anders sein, zu einem gemeinsamen Auftritt geführt. Allerdings bereits mit der heutigen, zum Trio geschrumpften Folk-Formation.

„Wir hatten total Bock zu spielen, aber unser Schlagzeuger konnte nicht. Da habe ich angefangen zu trommeln. Das hat so gut funktioniert an dem Abend und der mehrstimmige Gesang, an dem wir gearbeitet haben, ist so gut raus gekommen, dass wir so weiter gemacht haben“, blickt Multiinstrumentalist Max Schneider zurück, der bei Okta Logue nach wie vor die Tasteninstrumente bedient. Das zurückgenommene Schlagwerk bei Fooks Nihil habe gerade den nötigen Raum geboten, um den Satzgesang zur Geltung kommen zu lassen. Dieser wurde dadurch zu einem prägenden Alleinstellungsmerkmal des Trios, das in diesem Jahr erstmals beim legendären Herzberg-Festival aufgetreten ist.

Über Bühne und Backstage hinaus

Auf den reichen Anekdoten-Schatz, der sich in den langjährigen Beziehungen der Musikerinnen und Musiker ergeben hat, wird André Georg Haase bei seiner Moderation des „Circus Colletive“-Festivals zurück greifen. Er selbst ist einst als sensor-Reporter zu dem Freundeskreis gestoßen. Nachdem er The Blind Circus in deren Proberaum interviewt hat, fungierte er noch am selben Abend spontan bei der Releaseparty von The Blind Circus im Walhalla als Ansager. So schnell kann es gehen, wenn die Chemie stimmt.

„Wir haben weit mehr miteinander zu tun gehabt, als wir Musik miteinander gemacht haben“, verdeutlicht Achim Müller, dass sich die Verbindungen nicht auf Proberaum, Bühne und Backstage-Bereich beschränken. So ist The Blind Circus/Tramlites-Sänger Luca Hanisch inzwischen  zu Okta Logue-Schlagzeuger Robert Herz in das Haus gezogen, in dessen Garten inklusive Swimming Pool nicht nur legendäre Partys über die Bühne gingen, sondern auch schon preisgekrönte Musikvideos entstanden sind. Den ebenfalls dort befindlichen Proberaum habe man bislang noch nicht gemeinsam bespielt. Doch so sehr, wie alle Beteiligten für die Musik brennen, wäre es ein Wunder, wenn diese Verbindung sich nicht auch musikalisch niederschlagen würde. Vielleicht nicht mit einem eigenen Bandprojekt, aber zumindest mit einer weiteren gegenseitigen Beteiligung bei Auftritten. Wie jetzt beim Festival in der imaginären Kesselhaus-Manege. Oder bei einer CD-Produktion, von denen aktuell gleich mehrere in Vorbereitung sind. Bereits produziert wurden für das Festival herrliche Bandvorstellungsvideos von und mit André Georg Haase und Daniel Alfie Knußmann, die hier zu bewundern sind.

sensor präsentiert das „Circus Collective“-Festival am Samstag, 27. Oktober, im Schlachthof-Kesselhaus mit Okta Logue, Kenneth Minor, Fooks Nihil, The Blind Circus, Bees Village, Tramlites, Knusprige Wimpern und Aftershow-Party ab 23 Uhr mit Mr. Mojo und Robert Herz. Letzte Tickets hier.