Von Tobias Farid Djaghroud. Foto Sebastian Hoppe.
57 Veranstaltungen, 31 Produktionen, 12 Länder – auch de 118. Internationalen Maifestspiele sorgen für die Qual der Wahl. Wir haben im prallen Programm ein Stück gefunden, das sich von allen anderen unterscheidet.
Blicke über den Bühnenrand gehören für Annika Bardos zum Berufsalltag. Sie ist Dramaturgin am Wiesbadener Staatstheater. Von einer ihrer Recherchereisen kehrte sie ganz besonders begeistert zurück. In dem Stück, das sie sah, öffneten sich für sie „neue Welten, in die das Publikum förmlich hineingesogen wird.“ Es war das Stück „Peer Gynt“. Ein alter Schinken eigentlich, 1867 schrieb Henrik Ibsen das dramatische Gedicht. Und noch ein komplett neues Seh- und Sinneserlebnis. Regisseur Staffan Valdemar Holm hat es geschaffen, in seiner Inszenierung für das Schauspielhaus Düsseldorf. Als einmaliges Gastspiel wird es nun an zwei Abenden (17. und 18. Mai) in Wiesbaden zu sehen sein.
Was das Stück von den anderen dreißig Produktionen der Maifestspiele unterscheidet, ist die Tatsache, dass das von Bente Lykke Møller konzipierte Bühnenbild für die Vorstellungen im Großen Haus des Staatstheaters in einem aufwendigen Prozess ganz neu (auf)gebaut werden muss: „Die immense Größe des Bühnenbilds lässt einen ganzheitlichen Transport aus Düsseldorf nämlich nicht zu“, erklärt xxxx: „Die Segmente, aus denen sich die Arbeitsflächen zusammensetzen, müssen deshalb einzeln abgetragen, nach Wiesbaden transportiert, wieder aufgebaut und schließlich neu bespannt werden.“ Für all das haben Sven Hansen, der Leiter der Ausstattungswerkstätten des Staatstheaters und sein Zehn-Mann-Team eine Woche Zeit – und unter Umständen die ein oder andere Nachtschicht vor sich.
Das besagte Bühnenbild setzt sich aus zwei – 5 Meter hohen und 15 Meter breiten -Stellwänden sowie zwei – 4 Meter hohen und 11 beziehungsweise 4 Meter hohen un 11 beziehungsweise 8 Meter breiten – Wagen zusammen, die man sich in etwa als riesige fahrbare Leinwände vorstellen kann. Diese Wagen werden in einem arbeitsreichen Prozess von beiden Seiten mit riesigen großformatigen Schwarzweiß- Fotografien bespannt, welche so unterschiedliche Motive wie einen Langstreckenläufer, ein Paar beim Ausdruckstanz, eine karge Landschaft oder das Röntgenbild eines Vogels zeigen.
„Da die Wagen um 180 Grad gedreht werden können, ergeben sich für das Bühnenbild zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten und für den Zuschauer immer neue Blickwinkel“, erinnert sich Annika Bardos an eindrucksvolle „visuelle Effekte“.
Beim Ansehen des Stückes war sie jedoch nicht nur von dem “starken Zusammenspiel von Bühnenbild und Stück“ fasziniert, sondern auch von der Tour-de-Force des färöischen Hauptdarstellers Olaf Johannessen. In seiner Rolle des liebenswerten Tu-Nicht-Gut Peer Gynt führt er den Zuschauer bei seiner lebenslangen Suche nach sich selbst durch den Abend. Die von der Presse hochgelobte Performance brachte ihm nicht zuletzt eine Nominierung für den renommierten Theaterpreis „Der Faust“ ein.
Wer also die Auseinandersetzung mit essentiellen Fragen nicht scheuet, gerne einem starken Ensemble zusieht und Lust auf grundlegend Neues im Alten hat, wird an diesem „Peer Gynt“ seine helle Freude haben. Bei diesem Theaterstück ist man garantiert, wie es so schön heißt, mittendrin statt nur dabei.