Von Selma Unglaube (Text & Foto).
Corona und die Folgen. Das Virus legt auch die Wiesbadener Welt lahm, zwingt zur Auszeit. Berufstätige Eltern stellt die Situation vor besondere Herausforderungen. Unsere Autorin wird in dieser Zeit in loser Folge im sensor-#coronatagebuch von ihren Erfahrungen als Mutter (Tochter 6, Sohn 12) im Home-Office berichten – und lädt ein zum Austausch. Heute: Rapide erworbene Medienkompetenz löst langwierige Erziehung ab, per Datenkrake zum Heim-Yoga und seltsames Zeitgefühl.
Ich will meine Kinder nicht mehr erziehen. Es fehlt schlichtweg an Druckmitteln und Nerven. Hausarrest ist gerade keine Option. Daher wird ihre Erziehung Corona-bedingt bis auf Weiteres ausgesetzt. Wann, ob und unter welchen Auflagen sie wieder aufgenommen werden kann, wird in den nächsten Monaten zu klären sein. Fürs erste sind wir jedenfalls damit durch. Dafür sind wir jetzt wirklich alle im 21. Jahrhundert angekommen – Stichwort: Medienkompetenz!
Unser Sohn, der vor dem Shutdown kaum Erfahrung mit Messengerdiensten und Computern hatte, chattet und mailt nun souverän mit Lehrer*innen und Schulfreunden, lädt Aufgaben online hoch oder löst sie gleich dort. Ein Medienkonsum, der bis vor kurzem noch als bedenklich galt, bewahrt ihn nun ausgerechnet vor Vereinsamung und Verdummung.
Unsere Kleine verschickt jeden Abend von Papas Laptop eigenständig E-Mails an ihren Bruder und mich, füllt alleine Adresszeile und sogar Betreff aus – natürlich nur mit den paar Worten, die sie bislang kennt.
Ich habe mit zittrigen Händen, und allen Warnungen zum Trotz, eine „Datenkrake“ auf dem iPad installiert, um an den Yoga-Kursen meines Fitnessstudios teilnehmen zu können, und was soll ich sagen? Es ist genial: Ich muss nicht raus, und ich bin schnell wieder daheim. Der Nachteil: Ich muss nicht raus, und ich bin immer noch daheim.
Mittlerweile durchzuckt es uns beim Fernsehen, sobald in Berichten Ausschnitte „von damals“ gezeigt werden: „Wieso stehen die alle so nah beieinander, warum tragen die keine Masken?“ Ach, klar, das war vor dem Shutdown! Tief durchatmen!“ Erstaunlich, wie schnell sich Menschen an neue Umstände gewöhnen – zumindest die meisten. Denn immer noch begegne ich unterwegs kleinen Gruppen ungleicher Drillinge und Vierlinge, denen ich auf Anhieb weder eine Verwandtschaft noch eine Wohngemeinschaft unterstellen würde.
Hendrik Streeck und Christian Drosten habe ich in den letzten Wochen übrigens häufiger gesehen als enge Verwandte und Freunde. Sie sind mir fast ein bisschen ans Herz gewachsen. In Schweden hat sich sogar ein 32-Jähriger das Konterfei des Chef-Virologen Anders Tegnell auf den Arm tätowieren lassen. Virologen sind die neuen Popstars. Und auch hier spaltet sich die Fangemeinde wie einst bei Prince und Michael Jackson in zwei Lager: Who’s bad?
Frühere #coronatagebuch-Einträge hier.
Und ihr so? Postet eure Erfahrungen, Herausforderungen, Tipps und Lösungen gerne hier als Kommentar.
#coronawiesbaden #coronaviruswiesbaden #coronatagebuch