Von Selma Unglaube. Fotos Heinrich Völkel und Andrea Diefenbach.
Vor sechs Jahren bezogen die Gründer des Kunstvereins amici dell’arte, die Pianistin Makiko Takeda-Herms und ihr Ehemann, Schauspieler Alfred Herms, die Räumlichkeiten einer ehemaligen Kneipe Ecke Scharnhorststraße/Goebenstraße. Sie verwandelten damit die einstige „Rumpelkammer“ in einen hellen, stilvollen Wohnraum. „Wir hatten das Gefühl, mit diesem Raum kann man was machen: Musizieren, Bücher lesen, Menschen zusammen kommen lassen“, beschreibt Alfred Herms seine ersten Eindrücke der Lokalbesichtigung: „Mit zu erleben, wie aus dieser Höhle ein Raum wurde, war ein Erlebnis.“ Zuvor bewohnte die Künstlerfamilie dreißig Jahre lang eine Wohnung in der Adelheidstraße, bis sie „die Suche nach einem neuen Lebensgefühl“ antrieb, sich ein neues Domizil zu suchen.
In ihrer neuen Wirkungsstätte kann die Pianistin „Tag und Nacht“ auf ihrem schwarzen Steinway-Flügel spielen. „In die Wände ist ein Schallschutz eingebaut. Das Spiel hört man nur im Treppenhaus“, erklärt ihr Mann. „Im Treppenhaus hält sich niemand lange auf. Die Bewohner freuten sich über unseren Einzug. Das war hier früher keine gute Ecke“, ergänzt die Pianistin.
„Der Raum gibt einem unheimlich viel zurück“
Aus dem einst bis auf den Estrich entkernten Raum schuf das kreative Paar eine mondäne Herberge. Durch rundum große Fenster dringt Sonnenlicht ins Innere des ehemaligen Gastraums. Die Einrichtung ist modern, ohne dabei kühl zu wirken. Dafür sorgt unter anderem der „rote Faden“ der sich fast beiläufig durch den Raum zieht und Akzente setzt: Hier schmückt ein rotes Plaid einen weißen Eames-Schaukelstuhl, dort bekleidet es das Tagesbett, an anderer Stelle dekoriert ein rotes Kissen einen weißen Sessel. Dieses Farbkonzept wird am Esstisch, an dem sich schwarze und rote Arne Jacobsen-Stuhlklassiker abwechseln, fortgeführt. „Wenn man musiziert und mit Büchern lebt, dann gibt der Raum einem unheimlich viel zurück. Wir wohnen gerne hier“, so die Künstlerin. Mitgeprägt wird die Atmosphäre von ausgewählten Kunstobjekten. „In der Hoffnung, in eine bessere Wohnung zu ziehen, haben wir all diese Möbel gesammelt“, erklärt die Pianistin. Dazu gehören eine von ihrer ersten Gage gekaufte Skulptur der Künstlerin Helga Föhl sowie viele Gemälde des Künstlers Wolfgang Homeier. Von einer Fensterbank aus betrachten die von Thomas Duttenhoefer geschaffenen Portraitbüsten der beiden Eheleute den Flügel und eine Bücherwand. Auf einem Tisch residiert die Entenskulptur, die Alfred Herms seit dessen Anfängen begleitet.
Matinée brachte entscheidenden Tipp
„Den Tipp bekamen wir von einem Architekten, den wir bei einer unserer Matinéen kennen lernten. Der Raum sollte in Wohnraum umgewandelt werden, und der Architekt suchte Leute, zu denen das passte“, beantwortet Takeda-Herms die Frage, wie es dazu kam, dass sie ausgerechnet eine ehemalige Gaststätte besichtigten und sogar anmieteten. Eine „Gaststätte“ ist der Ort trotz Umbaus gewissermaßen dennoch geblieben. „Leben, Arbeiten, Gästeempfang“, zählt Alfred Herms nur einige der Nutzungsmöglichkeiten des neuen Lebensraums auf. Denn hier finden regelmäßig Hauskonzerte statt. Auch der Song „Hör nicht auf“ aus dem Album „So gesehen unmöglich“ ihres gemeinsamen Sohnes Ryo – ein Gemeinschaftsstück von Mutter und Sohn – wurde hier aufgenommen. Musiker Ryo lebt in Erfurt, wo er unter anderem mit Clueso zusammenarbeitet.
Verleidet wird der Familie Herms das Leben seit zwei Jahren durch die Sitzbank, die ein Bürgerverein eines Tages ohne jegliche Vorwarnung auf dem Gehweg, nur wenige Schritte von ihrem Garten entfernt, aufstellen ließ. Seit dem ist die Bank beliebter Treffpunkt trinkfreudiger Mitbürger, die dort laut Herms´Schilderung regelmäßig bis in die Nacht hinein lautstarke Gelage abhalten, gegen die weder Polizei noch Ordnungsamt etwas ausrichten würden. „Diese Bank: Ein Ort des Schreckens“, beschreibt der Schauspieler drastisch, wie sehr er sich gestört fühlt.