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Vereinsportrait: Wikinger aus aller Welt im Eishockey-Club „Wiesbaden Vikings“

Von Hendrik Jung. Fotos Tahar Jaber.

Eiszeiten sind knapp in Wiesbaden. Dennoch stellen die Wiesbaden Vikings für mittlerweile vier international besetzte Teams mit einem Altersspektrum zwischen 16 und 60 Jahren. Auch alle Leistungsstufen sind vertreten. Ein Trainingsbesuch.Zum Trainingsauftakt haben sich ein halbes Dutzend Mitglieder des schwarzen und des roten Teams der Wiesbaden Vikings im Halbkreis aufgestellt und lassen Goalie Pedersen die Pucks um die Schoner fliegen. Einer erzeugt ein helles Klingen, weil er ans Gestänge prallt, nur einer findet den Weg ins Netz. Der erfolgreiche Spieler schürzt die Lippen zu einem Kuss-Mund, doch Hannah Pedersen winkt mit einer kleinen Geste lässig ab. „Ich bin eher eine faule Torfrau. Das spart im Spiel viel Energie“, erklärt die 39-jährige. Sonst aber zeigt sie großes Engagement für den Sport, den sie mit sechs Jahren in Alaska zum ersten Mal ausgeübt hat.

Mindestens einmal pro Woche macht sich die Frau, die sowohl die dänische als auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft hat, aus Kaiserslautern, wo sie für die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika arbeitet, auf den Weg nach Wiesbaden. Zunächst hat sie für die Eagles der Kaiserslautern Military Community gespielt. Aber bei den Vikings sei das Niveau einfach besser. Da diese in der größten Hobby-Liga Deutschlands aktiv sind, die immerhin über fünf Spielklassen verfügt, stellt es kein Problem dar, dass Männer und Frauen im selben Team spielen. Eine weitere Besonderheit ist, dass dort keine Body-Checks erlaubt sind. Angesichts der Metallpfosten, an denen auf der Wiesbadener Kunsteisbahn das Netz oberhalb der Bande aufgehängt ist, könnte das auch lebensgefährlich sein.

Nicht über die Füße nachdenken

Für diejenigen, die erst als Erwachsene die ersten Schritte auf dem Eis machen, ist der Sport ohnehin eine ständige Herausforderung. Beim grauen und beim weißen Team hat deshalb das Lauftraining noch eine wesentlich größere Bedeutung. „Man darf beim Spielen nicht erst über die Füße nachdenken müssen. Es ist ein sehr komplexes Spiel mit schnellen Richtungswechseln, bei dem man nicht nur den Puck unter Kontrolle, sondern auch Mitspieler und Gegner im Auge behalten muss“, verdeutlicht André Beem. Immer wieder komme es bei denjenigen, die noch nicht so geübt sind, zu ungewollten Unfällen, weil man Freund oder Feind nicht mehr rechtzeitig ausweichen könne. Dennoch habe ihn der Eishockey-Sport, den er schon immer attraktiv gefunden habe, vom ersten Augenblick an gepackt. Vor zwanzig Jahren habe er mal ein bisschen Inline-Hockey gespielt, das im Sommerhalbjahr auch bei den Vikings praktiziert wird.

Mitgliederzahl verzehnfacht

Mit Mitte dreißig habe es ihn dann aufs Eis gezogen. Vor allem bei den Schlittschuhen sollte man seines Erachtens nicht sparen und lieber ein mittleres Einsteiger-Modell kaufen. Er selber habe dafür 200 Euro investiert und für die restliche Ausrüstung noch einmal 250 Euro im Paket. Mittlerweile ist der 39-jährige der Kapitän der dritten Mannschaft der Vikings, die  in diesem Jahr erstmals am Spielbetrieb der Hobby-Liga teilgenommen hat. Mit zwei Siegen aus acht Spielen hat man es immerhin gerade so in die Play-Offs geschafft. Dass es  in den vergangenen Jahren viele Neuzugänge gab, die eine dritte und vierte Mannschaft ermöglicht haben, komme allen Leistungsstufen zu Gute.

Anfangs seien beim Training noch alle zusammen auf dem Eis gewesen. Jetzt sind die Erfahreneren und die Neueren jeweils unter sich. „Wir sind seit 2011 enorm gewachsen. Von 12 auf 110 Mitglieder“, freut sich Trainer und Gründer Luke Rose. Aus diesem Grund kaufe der Club Eiszeiten, wo immer er nur könne, sei es in Wiesbaden, Diez oder Mainz. Auch der Trainerstab ist inzwischen gewachsen. Seit dem vergangenen Jahr gibt es einen zweiten Trainer, so dass er selbst nur noch das schwarze und das rote Team betreut. Ganz neu ist, dass eine Spielerfrau nun auch ein Eislauf-Training für Neulinge anbietet. „Jedes Jahr bin ich besorgt. Weil wir so international sind, gehen im Sommer immer zehn bis fünfzehn Leute weg. Aber bis jetzt werden es jedes Jahr immer mehr“, berichtet der 40-jährige, der einst über die US-Army nach Wiesbaden gekommen ist und inzwischen extern als Rechtsanwalt arbeitet.

EBS-Student erkennt: Eishockey bringt alle zusammen

Nach dieser Saison werden die Vikings unter anderem drei kanadische Spieler verlieren, weil ihr Auslandsaufenthalt bei der EBS Universität in Oestrich-Winkel beendet ist. „Das ist wirklich schade. Und zwar wegen der Vikings“, findet Cole Ikeda. Der Student der Business School wird aber auch im schwarzen Team vermisst werden, wo er als Center Forward trotz seiner kurzen Zeit im Team für einige Tore verantwortlich gewesen ist. „Sonst habe ich immer mit Leuten in meinem Alter gespielt. Die große Bandbreite bei den Vikings zeigt, was Eishockey ausmacht. Es bringt alle zusammen“, erläutert der 21-jährige. Bei seinem ersten Aufenthalt in Europa habe er viel über sich selbst, aber auch viel über die unterschiedliche Mentalität in Europa gelernt, was er für seinen weiteren Weg als sehr wichtig ansieht. Das können auch andere Mannschaftskameraden bestätigen.

„Ich mag die kleinen Unterschiede gern zumal ich auch in einem internationalen Umfeld arbeite“, berichtet Thomas Langstedt. Der 34-jährige hat beim Studium in Schweden seine jetzige Ehefrau kennengelernt und ist ihr nach Deutschland gefolgt. In seiner finnischen Heimat, wo im Winter jeder Ascheplatz in eine Eisfläche verwandelt werde, sei er bis zu seinem 18. Lebensjahr in der zweithöchsten Spielklasse aktiv gewesen. Dass er bei den Vikings sowohl die Gelegenheit hat, seiner Leidenschaft weiter zu frönen, als auch Freunde zu finden, sei wundervoll. Außer an der Hockeyliga nimmt der Verein regelmäßig an Turnieren teil und fährt zur Saisonvorbereitung nach Tschechien, wo auch schon mal ein Spiel gegen die Nationalmannschaft aus Kuwait auf dem Programm gestanden hat. Seit diesem Jahr gibt es außerdem jeden Freitag die Gelegenheit, auf dem Kleinfeld auf Mini-Tore zu spielen, die in Holzbalken hinein gesägt sind. Große Hoffnungen setzt man bei den Vikings in den geplanten Sportpark Rheinhöhe. „Hoffentlich entstehen dort zwei Eisflächen. Denn die sind nicht teuer. Was richtig Geld kostet, ist die Eismaschine“, hofft Luke Rose. Schließlich würde das mehr Eiszeiten für alle potenziellen Nutzerinnen und Nutzer ermöglichen.

www.wiesbaden-vikings.com