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„Vielen steht das Wasser schon über dem Hals“ – #StummerSchrei-Protest freier Künstler und Bühnen

Mit Aktion „Stummer Schrei“ wollte der Landesverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) auf die durch die Corona-Pandemie ausgelöste (Not-)Situation der Freischaffenden und der Freien Bühnen aufmerksam machen. Um 5 vor 12 haben die rund 50 Teilnehmenden der Aktion, einige von ihnen in Theaterkostümen und die meisten ausgestattet mit Transparenten und Botschaften wie „2021 schon was vor? Ich nicht!“ gemeinsam „laut“ geschwiegen. Mit dabei war der Opernregisseur Tobias Heyder. Im Gastbeitrag schildert er seine Eindrücke der Aktion und die Hintergründe und Perspektiven.

„An wen sollen wir uns eigentlich wenden? Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Kanzleramtsminister Helge Braun setzen sich an der Spitze für die Kultur ein – aber im Lande des Föderalismus sind die Landespolitiker*innen und Intendant*innen verantwortlich für unsere Theater und Kulturfinanzen. Deshalb hatte der Landesverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland zur Aktion STUMMER SCHREI vor dem Hessischen Landtag aufgerufen.

Der Ausblick ist traurig und dramatisch

Der Anlass: Wo soll man anfangen aufzuzählen? Vielen Freischaffenden und freien Bühnen steht das Wasser schon über dem Hals. Und wenn bereits im vierten Monat Gagen ausfallen, Verträge für die Zukunft auf sich warten lassen und kreative Projektideen an dem länderspezifischen Wirrwarr um Maximalzuschaueranzahl, Quadratmeteranforderungen und Lüftungsanlagenleistung scheitern, kann man nur noch demonstrieren gehen.

Der Ausblick ist traurig und dramatisch: In neuen Verträgen finden sich vermehrt spezielle Covid19-Klauseln, die den haltlosen Tatbestand der Höheren Gewalt und damit die Nichtauszahlungen von Gagen bis hin zu Gagenrückforderungen legitimieren sollen. Außerdem kündigen einige Intendant*innen schon mal an, das Lohnniveau noch weiter nach unten zu ziehen.

Kultur ist das Gewissen und die Seele einer Gesellschaft

Auch das Wiesbadener kuenstlerhaus43 zeigte schweigend Präsenz.

Vor dem Hessischen Landtag trafen sich über 50 Kollegen*innen aus den umliegenden Theatern, Freischaffende Künstler*innen und Betreiber*innen freier Bühnen und haben um fünf vor 12 geschwiegen.

Was wie ein Rückblick auf mehrere Monate der Abwesenheit der Körper und Stimmen auf den Bühnen wirkte, darf kein Ausblick in die Zukunft werden! Wir brauchen Kultur – das Gewissen und die Seele einer Gesellschaft –, wir brauchen Sicherheit in den Rahmenbedingungen unter denen wir produzieren und wir brauchen genauso wie Piloten, Industrie und Gewerbe zielgerichtete Unterstützung in dieser Krise.

Chaos von Fördertöpfen und Soforthilfen, die keine sind

Wir brauchen ein Ende des föderalen Chaos von Fördertöpfen und Soforthilfen, die keine sind, ein Ende von Versprechungen und Ankündigungen. Eine ganze Branche in die Grundsicherung zu treiben, kann nicht die Lösung sein.

Politiker hören zu, wenn wir erklären

Zwei Landtagsabgeordnete kamen zum Gespräch: Martina Feldmayer von den Grünen und Christoph Degen, Generalsekretär der Hessen SPD, tauschten sich intensiv mit uns über die Situation der Kultur in Hessen und auch der Situation an den großen Theatern des Landes aus. Dabei stellen wir eines fest: Politiker hören uns zu, wenn wir ihnen erklären, was uns bewegt. Meist kennen sie die Details aus unserem Arbeitsleben nicht, die Bedingungen, unter denen wir mit Lust und Energie dem nachgehen, zu dem wir uns berufen fühlen. Wir werden nach den Sommerferien Christoph Degen erneut treffen und dieses Gespräch fortetzen. Frau Feldmayer wird den Kontakt zur Kunstministerin Frau Dorn herstellen. Es war eine gute Bestätigung, dass die AKTION 40.000 BRIEFE Erfolg haben kann, wenn wir es schaffen, unsere Politiker*innen zu treffen, sie zu informieren und wir Lösungsstrategien aufzeigen können.“ (Tobias Heyder / Fotos Dirk Fellinghauer)