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Von Gott auf die Probe gestellt – Theaterstück in Wiesbadener Kirchen darf auch Kontroversen auslösen

Das Zwei-Mann-Stück „Die Erprobung Abrahams“ hat in der Ringkirche Premiere gefeiert: Es inszeniert die alttestamentliche Geschichte als fiktive Wiederbegegnung von Vater und Sohn: Abraham, ein alter Mann im Rollstuhl (Jürg Wisbach), steht seinem Sohn Isaak (Lars Wellings) nach Jahren wieder gegenüber.

Auf der Bühne sitzt ein alter Mann im Rollstuhl. Lange, weiße Haare, ungepflegter Bademantel, nackte Füße in Badelatschen, krumme Körperhaltung. Er hört mit einem alten Kassettenrecorder eine biblische Geschichte – jene von Abraham, der seinen Sohn opfern sollte, weil Gott es ihm befahl. In letzter Minute sagt Gott ihm, er möge innehalten. Eine Geschichte aus dem Alten Testament liegt diesem Stück zugrunde, die uns heute erschaudern lässt. Und zum Nachdenken bringt. Auch den Schauspieler Jürg Wisbach. Er hat das Stück verfasst: „Die Erprobung Abrahams“ wird in verschiedenen Kirchen aufgeführt, auch an diesem Wochenende.

Das Innehalten sollte seinen Glauben auf die Probe stellen. Abraham, er ist der Mann im Rollstuhl, beginnt, selbst zu erzählen. Isaak ist nicht sein einziger, liebster Sohn, er hatte bereits einen mit der Magd Hagar, den er ebenfalls liebte. Aber auch sie hat er auf Gottes Geheiß in die Wüste geschickt. Er war gehorsam. Aber nun kommen ihm Zweifel.
Was, wenn die eigentliche Prüfungsfrage gewesen wäre, ob er es wagt, sich solchen eigentlich unmenschlichen Befehlen zu widersetzen?

Ein zweiter Mann betritt die Szene. Ist es sein Pfleger? Abraham jedenfalls sieht seinen Sohn in ihm. Er spricht mit ihm, und Isaak erwidert, hält mit seiner Verbitterung nicht hinter dem Berg, äußert aber auch sein Unverständnis darüber, dass Abraham Gott anzuzweifeln wagt.

Was, wenn die Erprobung nicht darin bestanden hätte, die Bereitschaft zum Opfern auszuloten, sondern der Widerstand gegen den eigentlich unerhörten Befehl? Was, wenn Gott eigentlich Widerspruch gewollt hätte? Eine Kernstelle der Bibel, hier einmal ganz anders bewertet.

Das Stück ist bereits das zweite, mit dem sich Wisbach, zurzeit in der Schweiz tätig, mit einer kontroversen biblischen Figur auseinandersetzt. Nach „Judas“ – mit diesem Stück war er vor einigen Jahren ebenfalls in Wiesbaden zu Gast – also nun Abraham.
Susanne Claußen, Bildungsreferentin des ev. Dekanats, hat ihn erneut eingeladen. In sieben Kirchen des Wiesbadener Dekanats wird er im März und April sein Stück aufführen.

„Wir haben das bewusst dezentral geplant, nicht in einer großen Stadtkirche, sondern in einzelne Gemeinden möchten wir mit dem Stück hineingehen“, sagt Claußen. Nach der etwa einstündigen Aufführung bleibt immer Gelegenheit zur Diskussion mit dem Schauspieler, der das Stück bewusst für Kirchenräume konzipiert hat.
Er hat Abraham als alten Mann inszeniert, der auf sein Leben zurückblickt und seine Entscheidung überdenkt. Hätte er anders handeln können? Er hadert und kämpft mit sich selbst.

Fragen nach Gehorsam, Gottesfurcht und Gewaltpotenzial

Die Frage nach Gehorsam, Gottesfurcht und Gewaltpotenzial der Religion wird aufgeworfen, aber auch jene nach einer konfliktreichen Vater-Sohn-Beziehung, an der auch Lars Wellings in der Rolle des Gegenübers entscheidenden Anteil hat. Viel Diskussionsstoff, und Susanne Claußen ist gespannt, welche möglicherweise kontroversen Reaktionen die sieben Aufführungen in den Gemeinden auslösen.

Ein Rahmenprogramm beleuchten verschiedene Aspekte des Themas aus Sicht unterschiedlicher Expert:innen. Familientherapeutin Sonja Kaemper betitelt ihren Vortrag „Relax, Abraham!“ und lotet aus, wie Eltern heute im allgemeinen Stimmengewirr der Gesellschaft über das Wohl und das Leben ihrer Kinder entscheiden. Im Murnau-Filmtheater wird am 27. April der Film „Abraham. Ein Versuch“ über das Milgram-Experiment von 1970 gezeigt. Hier ging es um den Versuch, Menschen mit autoritärem Verhalten dazu zu bringen, anderen Schmerzen zuzufügen – mit erschütternden Ergebnissen.

Aufführungstermine „Die Erprobung Abrahams“:

Samstag, 26. März, 18 Uhr, Matthäuskirchengemeinde (Daimlerstraße); Sonntag, 27. März, 17 Uhr, Stephanusgemeinde Mainz-Kostheim (Linzer Straße); Mittwoch, 30. März, 19 Uhr, Marktkirche Wiesbaden; Freitag, 1. April, 18 Uhr, Ev. Heilig-Geist-Kirchengemeinde Biebrich (Am Kupferberg).  Der Eintritt zu allen Aufführungen ist frei. Dauer: etwa 1 Stunde; danach besteht die Möglichkeit zum Gespräch mit den Schauspielern. Es gelten die tagesaktuellen Corona-Schutzverordnungen.

Formlose Anmeldung, da die Platzzahl in den kleineren Kirchen coronabedingt begrenzt ist: susanne.claussen@ekhn.de. Mehr zum Rahmenprogramm: dekanat-wiesbaden.de

(sun/Foto: Anja Baumgart-Pietsch)