Von Leonard Laurig. Fotos Veranstalter.
Dunkel, grau, kalt – da braucht es schon gute Gründe, um vor die Tür zu gehen. Der sensor-Wochenendfahrplan liefert sie euch zuhauf.
FREITAG
WIR in Wiesbaden-Auftakt: Einen kritischen Blick auf die Welt bekommen wir nur im Austausch mit den Menschen, die uns umgeben. Mit ihnen diverse Perspektiven konstruktiv und kritisch auszutauschen, kann ein erster Schritt sein, denn die Zukunft lässt sich nicht alleine gestalten. Indem wir Gelegenheiten schaffen, sich auf Neues einzulassen, eigene Positionen zu hinterfragen und weiterzuentwickeln, können wir an kleinen und großen Rädern drehen und uns voranbewegen. Einen Versuch ist es wert: Sobald ich einen Schritt hinausgehe, verändert sich etwas! „WIR in Wiesbaden“ möchte auf ganz unterschiedliche Weise Anlässe bieten, sich mit anderen zu treffen und zusammen über die Stadt nachzudenken, in der wir leben. Machen wir es uns gemeinsam ɡəˈmyːtlɪç – so lautet das Motto der diesjährigen „WIR in Wiesbaden“-Veranstaltungsreihe. Alle zusammen! Auftakt ist heute. Im Moment läuft schon eine klasse irritierende Aktion auf dem Mauritiusplatz (bis 17.45 Uhr), um 18 Uhr sind alle zur offziellen Eröffnungsveranstaltung in der Mauritius-Mediathek in der Hochstättenstraße willkommen. Das volle tolle Programm der Reihe, die bis 18.12. läuft: http://wir-in-wiesbaden.net/
Weinmesse: Wiesbadener Weingüter präsentieren am Freitag und Samstag im Rathaus am Schlossplatz an zwei Tagen edle Tropfen – ein Genuss für Zunge, Gaumen und Augen. Als „Vorspiel“ fand heute ein Sektempfang anlässlich des Jubiläums „60 Jahre Wiesbadener Weinkönigin“ statt. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten wurde auch die 30. Wiesbadener Weinkönigin, Sarah (I.) Emmel aus Bierstadt, zur neuen Wiesbadener Weinkönigin gekrönt. An beiden Messetagen können Besucher von 17 bis 22 Uhr Weine und Sekte von Wiesbadener Winzern und den Hessischen Staatsweingütern probieren. Eine einzigartige Gelegenheit, die Vielfalt Wiesbadener Weine kennen zu lernen.
„It´s all natural“ ist eine Gruppenausstellung, die die Frage beleuchtet, welche Aussage aktuelle „Naturbilder“ über das Verhältnis Natur – Kultur treffen. Sind der Mensch und seine Kultur Teil oder Gegenteil der Natur? Wie verorten sich Künstler innerhalb des Diskurses? Diese und weitere Fragen thematisieren die gezeigten Werke und beleuchten auf unterschiedliche künstlerische Weise die Facetten eines aktuellen Naturbegriffs. Naturmaterialien werden imitiert, projiziert oder durch technische Verfahren neu interpretiert – wie etwa hier durch Mia Goyette in „Fluid Conveyance #1“ (Foto). Die Vernissage findet um 18 Uhr im Nassauischen Kunstverein statt, wo die Ausstellung noch bis 11.12.16 zu sehen ist.
Max Gruber alias Drangsal ist – neben Isolation Berlin – bislang der Shootingstar des deutschen Independent-Jahres 2016. Ganz zu Recht, gelingt dem Wahlberliner doch wie keinem Zweiten der Grenzgang zwischen Unsicherheit und Größenwahn, weltumspannenden Melodienseligkeit und sich jederzeit auftuenden Abgründen, wie sie wohl nur ein junger Mann formulieren kann, der sich häutet, sich einer Jugend in der Provinz entledigt, die ihn bis heute determiniert. Nicht umsonst heißt sein unlängst erschienenes Debütalbum „Harieschaim“, nach dem mittelalterlichen Namen seines Heimatortes Herxheim in der Pfalz. Wie man das überlebt? Man betreibt die Apotheose des Andersseins, hört The Smiths und Depeche Mode, Boyd Rice und Throbbing Gristle, liest Sartre und De Sade, tätowiert sich „Viva Hate“ quer über die Brust und macht Musik, gnadenlos eklektisch und wahnsinnig zeitgenössisch zugleich, voller hinreißender New Wave- und Synthpop-Splitter. Und man nimmt mit Markus Ganther schließlich eines der besten englischsprachigen deutschen Alben des Jahres auf, was er nun im Schlachthof vorstellt. Einlass ist ab 19:30 Uhr.
Bässe, Funk und Sax im Kulturpalast: Normalerweise spielt in einer Band ein einziger Bassist, der Frankfurter Saxophonist Gernot Dechert hat in seinem aktuellen Projekt „Doublebass“ wie der Name es schon verrät, gleich zwei Bassisten an seiner Seite. Seit 2013 ist diese Band live am Start und veröffentlichte 2016 ihr erstes Album. Groove wird an diesem Abend groß geschrieben. In sich verzahnte Basslines von Frowin Ickler und Stefan Hergenröder schieben zusammen mit den Beats von Luca Dechert (Drums). Das Sax, angereichert mit reichlich Elektronik, rundet das Ganze melodisch und harmonisch ab, in einer Weise, die man so noch nicht gehört hat. Los geht’s um 20 Uhr.
Mit „Illusion & Comedy“ präsentiert der Zauberkünstler Christian de la Motte um 20 Uhr im Thalhaus eine verblüffende Mischung aus hochkarätiger Zauberkunst und spontaner Comedy. Christian de la Motte hat nicht nur ein Ass im Ärmel, sondern auch den Schalk im Nacken. Im charmanten Dialog wickelt er sein Publikum um den Finger und präsentiert Klassiker der Zauberkunst in einer neuen Interpretation und reichlich Situationskomik.
„Friday on my mind – Der Weinabend“ lautet das neue Motto im WAKKER. Dort wird es monatlich neue Weine von regionalen Winzern und Weingütern zum Verkosten geben. Zwar immer nur eine kleine Auswahl, aber dafür sehr lecker. Den Start macht das Weingut Emil Bauer aus der Pfalz mit Auxerrois, Weißburger, Merlot und einem Rotweincuvée.
Kinder Freuds im Rudersport: Eine resignierte Schauspielerin und ihre Psychologin mit kreativen Ambitionen treffen auf einen Orchestermusiker, der es leid ist immer nur nach Noten spielen zu müssen. Sie gründen eine offene Selbsthilfegruppe, in der die freie Assoziation in der Musik als neuer Weg in ein bewusstes selbstbestimmtes Leben gefeiert wird. Schnell wird aus der trauten Dreisamkeit ein geschwisterlicher Verband mit einer Vielzahl musikalischer Seelenverwandter. Gitarristen, Tubisten, Schreibmaschinisten und Multiinstrumentalisten – alles was klingt ist willkommen beim Poetry Jam, den “Die Kinder Freuds” um 20 Uhr im Rudersport 1888 veranstalten.
Plastic Passion ist „80s Sounds For Modern Lovers“. 25 Jahre nach dem Ende der 80er ist es an der Zeit, der goldenen Ära des Pop ein würdiges Format zu widmen. Plastic Passion hieß es schon vor langer Zeit in der Räucherkammer und nun lebt die Partyreihe im Kesselhaus wieder auf, um den unzähligen Trash-Partys einen geschmackssicheren Gegenpunkt zu setzen. Von den Post-Punk Ausläufern über New Wave und Synth-Pop bis zu den Wurzeln der heutigen elektronischen Musik in Italo Disco und Acid House hat dieses Jahrzehnt doch jede Menge Spannendes zu bieten.
SAMSTAG
Beim Samstag-Spezial im Frauenmuseum geht es um den „Mythos vom großen Unterschied“. Die Archäologinnen Linda Owen und Brigitte Röder gehen in ihren Vorträgen der Frage nach, was über Geschlechterverhältnisse in der Frühzeit bekannt ist und wie die Archäologie zu diesen Erkenntnissen kommt. Die modernen Geschlechterbilder, ihre gesellschaftliche Relevanz und ihre Entstehung werden ebenfalls thematisiert. Zum Abschluss präsentieren Uschi Madeisky, Daniela Parr und Dagmar Margottsdonner ihren jüngsten Film „Wo die freien Frauen wohnen“. Der Film schildert das Leben der Mosuo, einem Matriarchat in China. Die Veranstaltung beginnt bereits um 11:30 Uhr und endet um ca. 18 Uhr. Anmeldung unter: info@frauenmuseum-wiesbaden.de
Rotkäppchen auf Englisch: Das Galli Theater zeigt den Märchen-Klassiker in englischer Sprache. „Little Red Riding Hood“ beginnt um 14 Uhr und ist ein Stück für die ganze Familie. „On the way to visit her sick grandmother, Little Red Riding Hood encounters the wolf. The wolf tricks her into revealing the location of Grandmother’s house. Just when Red Riding Hood thinks it will be dark forever, a ray of light appears.“
In Mexiko wird Anfang November das Leben auf besondere Weise gefeiert: Zum Día de Muertos werden farbenfrohe Altäre aufgebaut und alles mit Blumen, Girlanden, Zuckerschädeln und Pappskeletten dekoriert. Es gibt viel Musik und Süßes und auf dem Friedhof wird gepicknickt. Der Tod ist Teil des Alltags – Santa Muerte ist eine der populärsten Schutzpatroninnen und der Día de Muertos ist der wichtigste präkolumbische Feiertag. Die Toten kommen an diesen Tagen zu Besuch und in Mexiko heißt man sie laut und fröhlich willkommen. Im WAKKER sind in erster Linie leibhaftige Menschen eingeladen, wenn dort ab 17 Uhr der Día de Muertos gefeiert wird. Die Playlist des Tages wird von Freunden aus Mexiko zusammengestellt, die Bar nimmt selbstverständlich Tequila und mexikanischen, kollektiv erzeugten Kaffee ins Programm und die Süßigkeiten und Pan de Muertos gibt es, bis alles aufgefuttert ist.
„Eines der aufregendsten Gypsy-Ensembles Russlands“ ist laut Presseberichten Loyko und damit genau das richtige zum Auftakt des Jubiläumsfestivals für eine der aufregendsten Kultureinrichtungen Wiesbadens. Das Walhalla wird 15 und so geht es mit Loyko „mitten hinein in wehklagende Trauer und schreiende Melancholie, in rasante Tanzrhythmen oder taumelnde Euphorie“, schrieb MZ online. An der Seite des Stargeigers und Gründers, Sergey Erdenko, lassen Artur Gorbenko und Michael Savichev die Saiten ihrer Geigen und Gitarren zu magischen Arrangements verschmelzen. Dabei erfüllen sie das Klischee des „Teufelsgeiger“ auf ihre ganz eigene Art. Berühmte Stars wie Yehudi Menuhin und Gidon Kremer oder auch André Heller haben Loyko mehrfach in ihre Konzertprogramme und auf Festivals geladen. Beginn im Spiegelsaal ist um 19:30 Uhr.
Mit „Policy of Mode – DM Party Wiesbaden“ bringt das Duo Tom101 und ata an den Start, was Wiesbaden lange gefehlt hat: Eine Party voll im Zeichen der Kultgruppe aus Basildon, artverwandtem Synthie- und Future-Pop, Bodymusic und jeder Menge 80er. Stay depeched! Übrigens: Depeche Mode live sind am 20. Juni 2017 in der Frankfurter Commerzbank Arena zu erleben. Die Depeche Mode Party findet jedoch schon jetzt, ab 22 Uhr im Kulturpalast statt.
SONNTAG
Jazz Report ist eine Jazzband aus fünf Musikern, die sich aus verschiedenen Teilen Deutschlands zusammengefunden haben, um ihre Liebe zum Jazz auszuleben. Alte Swing-Klassiker bekommen von ihnen genauso eine Chance wie grooviger Funk, gefühlvoller Latin-Jazz oder moderner Soul. Ihr Markenzeichen ist ein leichter, heiterer Sound, abgerundet von der dunklen Soul-Stimme von Martina Rifati. Beim legendären Jazz-Frühschoppen im Rudersport 1888 zeigen sie ab 11 Uhr ihre Verbundenheit zur Jazz-Musik.
Vom Glanz der Weltkurstadt berichtet KulTour & Mehr auf der Entdeckungs-Tour entlang der Wiesbadener „Rue“. Die „Rue“ – als „Alleestraße“ 1811 angelegt und 1832 bis zur Rheinstraße verlängert, ist die Pracht- und Promenadenstraße und zugleich Glanz- und Höhepunkt des Historischen Fünfecks. Die Promenade erkundet die Wilhelmstraße vom Bowling Green bis zum Stammhaus der Wiesbadener Ananastörtchen und erzählt vom Aufstieg der nassauischen Residenz- und Badestadt des frühen 19. Jahrhunderts zur unangefochtenen Weltkurstadt des Kaiserreichs. Die Entdeckungs-Tour startet um 14.00 Uhr am Kaiser-Friedrich-Denkmal und dauert etwa zwei Stunden.
Whisky Tag: Beim 1. Wiesbadener Whisky-Tag in der Villa Justitia, veranstaltet vom Wiesbadener Whisky-Club Rhein Main, warten ab 10 Uhr auf den Whisky-Liebhaber in der Villa Justitia über 500 Probiermöglichkeiten. Vorträge zu Aspekten der Whiskyherstellung und des Destillierens, Verkostungsmöglichkeiten weiterer Spezialitäten sowie „Masterclass-Tastings“, runden das Angebotsspektrum ab.
Designmarkt in Erbenheim: Elegante Linien, poppige Farben und außergewöhnliche Formen. Gutes Design ist zeitlos und heute so modern wie gestern. Daher findet im Bürgerhaus in Erbenheim wieder der 50er – 70er Jahre Markt der wilden drei Jahrzehnte statt. Wer sich nicht mit dem Retro-Einheitslook zufrieden geben will, sondern auf das Individuelle steht ist hier genau richtig. Aus dem In – und Ausland kommen die Aussteller die alles zusammengetragen haben was den Reiz dieser Zeit ausmacht. Ob Plastikmöbel, Lampen, Chrom-Design, Schmuck oder Mode– hier kann man alles finden was schrill und abgefahren ist. Mehr Infos unter: www.design50er-70er.de
Der Begriff „Filmstadt Wiesbaden“ mag heute überraschen. Aber für die Zeit von 1948 bis 1957 hat er durchaus Gültigkeit, denn in der Stadt werden wichtige Filme produziert. In einer Zeit, in der die alte Ufa entflochten werden sollte und Berlin sich nach der Blockade nicht als Filmzentrum empfahl, stellte Wiesbaden das Gelände unter den Eichen zur Verfügung. Auf diesem wurden ab 1949 eine Kopieranstalt und Filmstudios gebaut. Die Firma „Comedia“ produzierte hier 1949 den ersten Wiesbadener Nachkriegsfilm, den „Mordprozess Dr. Jordan“. Manfred Kögel gibt nun spannende Einblicke in jene Jahre und stellt das Thema in den Kontext der Wiesbadener Filmszene. Die Teilnahme am Vortrag, der um 14:30 Uhr im Kurhaus stattfindet, ist kostenfrei und erfordert keine Anmeldung.
Bei den „Gesprächen in der Villa“ ist diesmal der Architekt Manuel Herz zu Gast im Presseclub der Villa Clementine und spricht mit Stefan Schröder (Wiesbadener Kurier). Der Schweizer Architekt Herz ist Lehrstuhlinhaber an der Universität Basel und hat unter anderem die neue Mainzer Synagoge entworfen, eines der spannendsten in Deutschland errichteten Sakralbauwerke der letzten Jahrzehnte. Manuel Herz engagiert sich vor dem Hintergrund flüchtlingspolitischer Herausforderungen seit längerem für eine Neuausrichtung menschlichen Siedlungsverständnisses. Sein Projekt „From Camp to City“ ist ein starkes Argument für eine neue Betrachtung von Flüchtlingslagern unter Gesichtspunkten einer künftigen Urbanität. Beginn ist um 17 Uhr.
Nada Surf, angeführt von Songwriter Matthew Caws, und seit neustem verstärkt durch Doug Guillard, den Gitarristen von Guided By Voices, sind zurück! Und machen endlich auch in Wiesbaden Station. Nebenbei vollbringen sie das Kunststück, auch im zwanzigsten Jahr seit Erscheinens ihres ersten Hits, „Popular“, eine echte Bank in Sachen Collegerock und Powerpop zu bleiben. Für Freund*innen von Nada Surf und Guided By Voices, logisch, aber auch von Big Star, Buffalo Tom, Gin Blossoms oder R.E.M. unverzichtbar. Nun kommen die Indie-Rocker also in den Schlachthof, Einlass ist ab 19 Uhr. (Foto Veranstalter)
Klavierkabarettistisches Soloprogramm mit Matthias Ningel: Höfliche Zurückhaltung und sympathische Unbeholfenheit verhelfen dem Humoristen und Liedermacher nicht gerade zu einer Alphamännchen-Position. Er ist eben ein Omegamännchen, aber ein sehr sympathisches. In einer Zeit, die durch weinende Silbermedaillenträger, käufliche Doktortitel und Karoshi geprägt ist, scheint der Wunsch, Erster zu sein, ausgeprägter denn je. In seinem Programm „das Omegamännchen – Derniere“ bricht Matthias Ningel mit quirligem Enthusiasmus eine Lanze für das Unvermögen. Omegamännchen ist ein Plädoyer dafür, wieder Schwäche zu zeigen. Um 19 Uhr im kuenstlerhaus43.
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