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„Das Virus bringt uns in Ungleichgewicht“ – Warum Noah (20) überzeugt ist: Corona trifft die Jugend am härtesten

Von Noah Said. Foto Jörg Halisch.

Die Corona-Pandemie be/trifft alle, und einzelne Berufs- und Altersgruppen besonders. Natürlich ist es eine Frage der Perspektive und individuellen Betroffenheit. So verwundert es nicht, dass Noah Said (20), Lehramtsstudent an der Gutenberg-Uni in Mainz, Vorsitzender des Jugendparlaments Wiesbaden und Vorstandsmitglied bei den Jungen Liberalen Wiesbaden, in seinem sensor-Gastbeitrag sagt: „Ich bin überzeugt, dass die Corona-Pandemie die jungen Leute am härtesten trifft.“. Aber nicht nur junge Leute wie er sehen das so. „Für die Jungen ist es wirklich besonders schwer“, sagte kürzlich zum Beispiel auch „First Lady“ Elke Büdenbender, die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, im VRM-Interview. Hier die Gedanken und Überlegungen von Noah Said:

Hätten Sie sich jemals vorstellen können, was es für Sie bedeutet, auf Partys und Zusammenkünfte zu verzichten, Ihrem Lieblingssport nicht mehr nachgehen zu können, oder das Studium via Online-Konferenzen und virtuellen Rundgängen zu erleben? Leider ist das für viele SchülerInnen und vor allem Studierende wahr geworden. Der Alltag spielt sich in einer digitalen Welt ab. Das Virus bringt uns in ein Ungleichgewicht.

Corona-News direkt aufs Smartphone

Täglich werden neue Nachrichten zur Corona-Pandemie berichtet. Praktischerweise für die meisten unter uns per Push-Benachrichtigung direkt aufs Smartphone. Die Digitalisierung mag in diesem Punkt geglückt und für uns heutzutage selbstverständlich sein. Doch das ist auch der erste Punkt, der junge Leute sowohl zusammenbringt als auch trennt.

Wie sehr hat man sich auf den Uni-Start gefreut. Neue Leute kennenlernen, die das gleiche langweilige Fach studieren wie du oder den ganzen Stoff prokrastinieren und sich in überfüllte Bibliotheken am letzten Tag vor der Klausur (bei der man absichtlich verschlafen hat) zwingen. Als Alternative bietet die Politik an, sich über Lerninhalte mit Lehrenden auf „servereigenen Webkonferenzsystem aus datenschutztechnischen Gründen“ auszutauschen. Wie gut diese Plattformen sind, ergibt sich mit der Berücksichtigung des Ausbaus in die digitale Infrastruktur der Bundesregierung. Warum einige Lehrende davon abweichen, sollte nun kein Geheimnis mehr sein. Und das ist wahrlich nicht das Problem der jungen Leute.

Wellenbrecher-Lockdown zerstörte mit einem Schlag alle Bemühungen

Es gab Hoffnung: Die universitären Hochschulen arbeiteten über den Sommer Hygiene- konzepte aus und versicherten Präsenzunterricht in Kleingruppen. Doch alles wurde mit einem Schlag mit der Verkündung des Wellenbrecher-Lockdowns zerstört. Zwar gab es Nothilfen für Studierende, die ihren Nebenjob verloren haben. Doch macht diese Entschädigung das Studentenleben aus? Studierende wünschen sich viel mehr den sozialen Kontakt, der schlichtweg einfach nicht durch virtuelle Kneipentouren befriedigt werden kann.

An diesem Punkt mag ihnen der Gedanke kommen: „Wir müssen doch alle auf sozialen Kontakt verzichten!“. Richtig, das müssen wir. Und das ist auch der zweite Punkt, warum das für junge Leute schwerer ist, als gedacht: Junge Leute brauchen soziale Interaktion! Diese soziale Interaktion findet sich unterbewusst im Alltag wieder. Für uns war das alles selbstverständlich.

Natürlich gibt es kein Recht auf Party – aber …

Denn jung zu sein heißt: Spontan sein, Freunde treffen, mit der Sportmannschaft um den Sieg wetteifern, am Wochenende auf Partys gehen oder die Hausaufgaben von seinem Sitznachbar abschreiben. Natürlich gibt es kein Recht auf Partys, so wie es vielleicht bei Ida aus dem bekannten Video aus dem Heute-Journal, klingen mag. Aber so wie sie es meint, ist es leider die traurige Realität.

Die Diskotheken hatten bereits vor Corona schon finanziell schwer zu kämpfen. Eine pandemie-gerechte Party mit Hygienemaßnahmen zu ermöglichen, ist also nicht realisierbar. Dabei ist Ausgehen mit Freunden ein großer Bestandteil des sozialen Zusammenhalts. Da die Clubs geschlossen sind, suchen sich Jugendliche neue Treffpunkte. Das ist bei uns auch in Wiesbaden im Sommer im Kulturpark am Schlachthof passiert, der regelrecht seine Blütezeit in der Corona-Pandemie erlebte. Hunderte Jugendliche bei gutem Wetter auf der Wiese. Als die Politik darauf aufmerksam wurde und beschloss, auf Polizeieinsätze an öffentlichen Plätzen zu setzen, um Abstandsregeln zu kontrollieren, trafen sich die Jugendlichen zuhause. Der Ansatz ist nicht aufgegangen.

Jugendliche sind nicht „schuld“ am Infektionsgeschehen

Augenscheinlich sind für einige die Jugendlichen schuld, die zum Infektionsgeschehen beigetragen haben. Schaut man sich die Statistik der Corona-Infektionen im Alter von 15-34 Jahren an, liegen diese Neuinfektionen hinter den Neuinfektionen der Altersgruppe von 5-14 und 35-59 Jahren. Weitere Studien zeigen, dass 71% der Jugendlichen unter der Belastung der Corona-Pandemie leiden. Auch das Risiko für psychische Auffälligkeit ist von 18% auf 31% gestiegen. Ob Letzteres sich verschlimmern wird, wird die Zukunft zeigen.

Wir sollten uns alle zur Seite stehen – über Generationen hinweg

Ja, es ist für jede Altersgruppe schwer, die richtigen Maßnahmen zu treffen und das Argument, dass es für die jungen Leute im Krieg auch nicht besser war, ist wahrscheinlich unanfechtbar. Aber soll das das Totschlagargument sein gegen die Wünsche der jungen Leute in Zeiten einer Pandemie? Vielmehr sollten wir doch generationsübergreifend zur Seite stehen. Dass es im März gerade junge Leute waren, die Risikogruppen ihre Hilfe auf sozialen Plattformen angeboten und es weitaus mehr freiwillige HelferInnen gab als Hilfe von Risikogruppen gesucht wurde, bestätigt unseren Zusammenhalt.

Politik bietet der Jugend keine Perspektiven

Ich bin überzeugt, dass die Corona-Pandemie die jungen Leute am härtesten trifft. Die Politik muss ein Ziel haben, dass sie schlichtweg einfach vernachlässigt hat: Jungen Leuten Möglichkeiten zur sozialen Interaktion bieten. Mit der Verlängerung des Lockdowns erscheinen jegliche Wünsche junger Leute weiterhin aussichtslos: Die Öffnung der Universität mit Hygienemaßnahmen, das Ermöglichen von Sport im Verein oder einer pandemie-gerechten Party. Junge Erwachsene werden sich unerlaubterweise zuhause treffen, weil die Politik ihnen keine Perspektiven bietet.

Wie sieht die Zukunft aus? Jugendliche werden sich also aus dem Bedürfnis sozialer Nähe und aus Angst vor psychischen Problemen treffen. Dass sich die Mehrheit aus Rücksichtslosigkeit in einer Pandemie trifft, ist auszuschließen. Denn diese soziale Nähe ist ein Ausweg aus dem Corona-Alltag und vermittelt das Gefühl von Normalität für jeden Jugendlichen.  

Hier lest ihr das sensor-2×5-Interview mit Noah Said.