Von Tamara Winter. Fotos Thorsten Haun / Tamara Winter.
Am letzten Sonntag im Februar, exakt eine Woche vor der Kommunalwahl, fand der „11. Visionäre Frühschoppen“ im Spiegelsaal des Walhalla-Theaters am Mauritiusplatz statt. „Alles drin: Wiesbaden hat die Wahl“ lautete die Überschrift des Vormittags mit dem Wahldatum im Hinterkopf, aber weiterreichenden Gedanken im Sinn: „Wir denken das Thema auch in diesem Sinne: Wiesbaden hat bei verschiedenen anstehenden Themen, bei denen `alles drin´ ist, die Wahl, in welche Richtung es weitergeht in und mit unserer Stadt,“ erklärte sensor-Chefredakteur Dirk Fellinghauer als Moderator der Veranstaltung bei seiner Begrüßung im vollbesetzten Spiegelsaal. Unter den Gästen waren auch zahlreiche Kommunalpolitiker, die aber – wie immer beim Visionären Frühschoppen – willkommen waren, nicht um selbst etwas zu erzählen, sondern um sich etwas erzählen zu lassen: Ideen und Visionen eben aus, in und für Wiesbaden. Diesen lauschten denn auch eine ganze Riege von Spitzenkandidaten zur Kommunalwahl: Christoph Manjura (SPD), Claus-Peter Große (Die Grünen), Christian Diers (FDP), Hartmut Bohrer (Die Linke), Gunnar Langer (Piraten), Dr. Christoph von Küster (ULW). Für emotionale Höhepunkte sorgte der international bekannt gewordene, nach seiner Flucht nun in Wiesbaden lebende syrische Pianist Aeham Ahmad mit seinen musikalischen Beiträgen.
Zu Beginn stellte Sigrid Skoetz ihre aktuelle Vision vor. Sie ist Leiterin des Walhalla Studio-Theaters und gemeinsam mit sensor Gastgeberin beim „Visionären Frühschoppen“. Die Theaterregisseurin will im Juni „Kulturtage der Zuwanderer“ veranstalten. „Wir wollen die öffentlichen Stimmen derjenigen verstärken, für die Zuwanderung keine Bedrohung ist. Nur so können wir erreichen, dass Deutschland ein Land wird, in dem Menschen ohne Angst verschieden sein können“, erklärte sie den Ansatz. Als bekennender Fassbinder-Fan plant sie unter anderem die Inszenierung des Bühnenstücks „Katzelmacher“ – mit Geflüchteten, die dann Ausländerfeinde spielen. Weitere mitwirkende Flüchtlinge sucht sie noch und ist dankbar für Tipps und Kontakte unter info@walhalla-studio.de
„Westendgarten Sedanplatz“ könnte Brachland beleben
Eine ganz konkrete Vision hatte auch Rabin Dasgupta mitgebracht. Er entwickelt seit zwei Jahren ein Konzept zur Belebung des Sedanplatzes. Unter dem Arbeitstitel „Westendgarten Sedanplatz“ stellte er beim Frühschoppen Ideen zur Umgestaltung des Geländes vor, die einen Biergarten, Veranstaltungen und mobile Gastronomie-Stände vorsehen. Er berichtete über die komplexe Auseinandersetzung mit dem Landesdenkmalschutz, der eine wichtige Instanz für die Entwicklungspläne darstellt. So sei der Sedanplatz laut Denkmalschutz ein sogenannter „Schmuckplatz“. Was genau so ein Schmuckplatz ist und welche Zwecke er damit erfüllen muss sind aber wieder ganz andere Fragen, auf die Dasgupta in seiner Vorstellung des Projekts versucht Antworten zu finden. „Das Umweltamt plant auch die Offenlegung eines früheren Bachlaufs“ sagt er, „der quer über den Sedanplatz verlief“. Dieser Bach könne auf verschiedene Weise in die Umgestaltung integriert werden und damit zur Attraktivität für öffentliche Nutzung beitragen, wie auch die von der Idee sehr angetanen Gäste im Walhalla finden. Der Visionär betonte, dass sich neben dem gastronomischen Angebot der Platz natürlich offen sein und bleiben müsse auch für alle, die dort nichts oder selbst Mitgebrachtes konsumieren möchten.
Initiative für mehr Demokratie
Die neue Initiative „Mitmensch Wiesbaden“ ruft als akute Sofortmaßnahme, der weitere folgen sollen, zur Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen und mehr Demokratisierung auf. Mitinitiator Christian Mappala stellte erstmals öffentlich die Gruppe vor, die sich für mehr Demokratie, Respekt und ein friedliches Miteinander einsetzt und gegen Hass, Häme und Rassismus steht. Der Geht wählen!-Aufruf der Initiative wurde von Prof. Dr. Detlev Reymann, dem Präsidenten der Hochschule RheinMain, verfasst und hat viele auch prominente Unterzeichner gefunden, wie Museumsdirektor Dr. Alexander Klar, Staatstheater-Intendant Uwe Eric Laufenberg, Oberbürgermeister a.D. Achim Exner oder ESWE Versorgung-Vorstandsvorsitzenden Ralf Schodlok. Innerhalb von kürzester Zeit haben über 140 Wiesbadenerinnen und Wiesbadener aus unterschiedlichsten Bereichen – Unternehmer, Kulturschaffende, Geschäftsleute, Rechtsanwälte, Gastronomen, Vertreter der Kreativwirtschaft und viele „einfache“ Bürgerinnen und Bürger den Aufruf unterschrieben. Im Zuge dieser großen Resonanz lud Mapala weitere Interessenten zur weiteren Beteiligung ein. Am Tag vor der Wahl wurde der Aufruf auch öffentlichkeitswirksam als Flyer in der Fußgängerzone verteilt.
In der „visionären Minute“ hatten die Besucher wieder jeweils 60 Sekunden Zeit neue Ideen und zukünftige Projekte vorzustellen. Darunter war diesmal auch Christoph Goetz, Initiator des Wiesbadener Fotomarathons, der seine Vision vorstellte. Am 21. Mai wird zum dritten Mal der große Fotomarathon stattfinden, bei dem die Teilnehmer sechs Stunden Zeit haben, um zehn Motive festzuhalten. Die besondere Herausforderung wird dabei sein, dass sowohl das Rahmenthema als auch die zehn Einzelthemen erst am Veranstaltungstag bekannt gegeben werden. Wer Lust hat, mitzumachen, kann sich gerne noch anmelden und auch weitere Unterstützer sind herzlich willkommen.
Ein ganzes Haus geöffnet für geflüchtete Künstler
Ein weiteres spannendes Projekt kam gerade sehr erfolgreich zu seinem Ende und wurde rückblickend von Elke Gruhn vorgestellt. Als künstlerische Leiterin des Nassaufischen Kunstvereins hat sie die Ausstellung “Curriculum Vitae (C.V.) – Intellektuelle Freihandelszone”mit Flüchtlingen in ihrem Haus organisiert. Das Projekt zeigte seit Mitte Januar Werke angekommener Künstlerinnen und Künstler und endete mit einer Finissage am Tag des Frühschoppens, was anschließend noch einige Besucher in die Wilhelmstraße lockte. Elke Gruhn suchte nach konkreten Wegen im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkieiten und Fähigkeiten, um Flüchtlingen zu helfen und bot den Kreativschaffenden die Nutzung der Räumlichkeiten an.
Unter den Teilnehmern war auch Sara Nabil, eine 22-jährige Künstlerin und Frauenrechtlerin aus Afghanistan, die beim Frühschoppen von ihrer Vergangenheit in der Heimat und den aufregenden Erlebnissen in der neuen Stadt erzählte. Neben Nabil trat auch ein weiterer Teilnehmer des Projekts auf die Bühne, der mit seinem beindruckenden Klavierspiel begeisterte. Aeham Ahmad ist 28 Jahre alt und ausgebildeter Musiker.
In seiner syrischen Heimat spendete er bereits als „Pianist in den Trümmern“ musikalisch Hoffnung, indem er mit seinem Klavier auf den Straßen des vorwiegend von geflohenen Palästinensern bewohnten Stadtviertels von Damaskus spielte, wenn auch unter Lebensgefahr. Seit seiner Flucht wurde dem Künstler 2015 für seinen beeindruckenden Einsatz der Beethovenpreis für Menschenrechte verliehen, und beim Frühschoppen durfte das Publikum zwischen den verschiedenen Vorträgen seinen ergreifenden und mitreißenden Stücken voller Intensität und Emotionalität lauschen.
Elke Gruhn erklärte den Gästen, wie schwer die tägliche Arbeit der Künstler in ihrer aktuellen Lage ist. Da der Pianist Aeham Ahmad beispielsweise noch keine richtige Internetseite hatte, auf der er seine Konzerte bewerben konnte, hat sich kurzerhand ein Gast aus dem Publikum bereit erklärt, diese Internetseite für Ahmad einzurichten und bewies damit tatsächliches Engagement. Nico Becher und Steve Hoffmann von „Wiesbadener Visionen“ schritten direkt nach der Veranstaltung noch im Saal mit Aeham Ahmad zur Tat und setzten die Vision kurzerhand in die Tat um: http://wiesbadenervisionen.de/port/aeham-ahmad/
Am 8. März um 0.00 Uhr zeigt das ZDF die Reportage „Der Klavierspieler aus Jarmuk“ über Aeham Ahmad.
Hier geht es zum Fotoalbum vom 11. Visionären Frühschoppen.
Der Visionäre Frühschoppen No. 12 findet voraussichtlich am Sonntag, 29. Mai, um 12 Uhr im Walhalla-Spiegelsaal statt. Infos, Updates und Gelegenheit zum Austausch über die Veranstaltung hinaus auf www.wiesbadenervisionen.de
Der Pianist kommt, wie schon erwähnt aus Syrien!!!
Also warum dann 2 Sätze später ein verwirrender Fehler?? Einmal lesen vor der Freigabe hilft!
“ In seiner syrischen Heimat spendete er bereits als “Pianist in den Trümmern” musikalisch Hoffnung, …. des vorwiegend von geflohenen Palästinensern bewohnten Stadtviertels von Damaskus spielte, …
…Da der afghanische Pianist Aeham Ahmad……“
Ja natürlich, vielen Dank fürs aufmerksame Lesen! Wir haben es gerade korrigiert.