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goEast-Festival startet heute – Online-Eröffnungsfeier, Filme on Demand, Virtual Reality und Preisgeld für alle

Von Selma Unglaube und Dirk Fellinghauer. Fotos: goEast Filmfestival.

Heute startet das goEast-Festival des mittel- und osteuropäischen Films. Wie immer präsentiert von sensor als Medienpartner, natürlich aber aufgrund der Corona-Pandemie – ausgerechnet zur 20. Ausgabe – auch ein wenig anders als gedacht. Das gilt auch für die Eröffnungszeremonie, zu der heute ab 19 Uhr alle eingeladen sind. Ausgewählte Werke aus seinem Programm stellt goEast in der eigentlichen Festivalwoche  vom 5. bis 11. Mai auf seiner Website On Demand zur Verfügung. Das ist aber nur ein zentraler Bestandteil von goEast in Corona-Zeiten. Und heute um 19 Uhr steigt tatsächlich eine Eröffnungsfeier, wenn auch virtuell. Wie diese aussehen wird, wollte Festivallleiterin Heleen Gerritsen bei einer digitalen Pressekonferenz nicht verraten. Am besten hier „einschalten“.

„Stellen Sie den Wodka kalt, schlüpfen Sie in Ihre Abendgarderobe und machen Sie es sich auf Ihrem Sofa gemütlich. Am Dienstag, den 5.5. um 19:00 Uhr fällt der Startschuss für goEast und das on Demand und Onlineangebot unseres Festivals. Feiern Sie mit uns: Online hier auf Facebook!“, lautet die Einladung für heute Abend. Auch ein „Rezept“ für den Festivaldrink Wiesbaden Shuffle, natürlich mit Wodka als Basis, wird heute verraten.

„Man kann ein Festival nicht einfach ins `online´ übertragen, Begegnungen finden im wahren Leben statt“, erklärte Heleen Gerritsen, warum goEast als Reaktion auf Corona nicht als reines Onlinefestival konzipiert ist. Online geht es aber nun los in der regulären Festivalwoche. Die Langfilme von goEast onDemand sind für jeweils 6,50 Euro während des Festivalzeitraums erhältlich und stehen nach dem Ausleihen für 24 Stunden zum Abspielen zur Verfügung. Für jeden Film gibt es 400 Online-Tickets, das einspricht der Kapazität des eigentlichen Festivalkinos Caligari. „Wenn jeder unserer knapp 6500 Facebook-Fans einen Film anschaut, bin ich zufrieden“, meinte die Festivalchefin, gefragt nach einer Prognose der Nachffrage.

„Europa, Europa“ würdigt Gründungsgedanken des Festivals

Zu den filmischen Highlights des On Demand-Angebots gehört die vollständige goEast Jubiläumssektion „Europa, Europa“, die den Gründungsgedanken des Festivals mit hochkarätiger Filmkunst würdigt. Diverse Aspekte der europäischen Lebensrealität werden kritisch beleuchtet.

Zu sehen sind etwa die ungarische Tierparabel „White God“ von Kornél Mundruczó aus dem Jahr 2014, in dem misshandelte Mischlingshunde die Macht in Budapest übernehmen, nachdem sie eines Tages für unerwünscht erklärt wurden. „Western“ (Deutschland, Bulgarien, Österreich 2017) von Valeska Grisebach inszeniert die Lebensrealitäten deutscher Bauarbeiter in Bulgarien. Juris Kursietis Migrationsdrama „Oleg“ (Lettland, Belgien, Litauen, Frankreich 2019) zeigt das harte Schicksal eines lettischen Gastarbeiters in Belgien.

Petr Václavs „Skokan“ (Tschechische Republik, Frankreich 2017) schickt seine Laiendarsteller*innen durch ganz Europa. Die Hauptfigur ist ein tschechischer Roma und Ex-Sträfling, der bei den Filmfestspielen in Cannes sein Glück und seine große Liebe sucht. Eine andere Liebesgeschichte stammt aus dem Warschauer Ghetto. Andrzej Wajda starb, bevor er den Film gemeinsam mit Jolanta Dylewska zu Ende drehen konnte, aber Dylewska, bekannt als Kamerafrau von Agnieszka Holland, hat „Marek Edelmann… And there was love in the Ghetto“ (Polen, Deutschland 2019) alleine und einfühlsam zu Ende inszeniert.

Ein besonderes Highlight: „The Painted Bird“ (Tschechische Republik, Slowakische Republik, Ukraine 2019) von Václav Marhoul, der die diesjährige Masterclass ebenfalls online abhält. Die Masterclass, das Werkstattgespräch mit Radu Jude und weitere Gesprächspanels werden kostenfrei angeboten. Auch die geplante Ausstellung „Memes aus Slawistan“ wird nun online konzipiert.

Außerdem online verfügbar: bemerkenswerte osteuropäische Genre- und Dokumentarfilme aus der Sektion Bioskop sowie das urbane Kurzfilmprogramm Anarcho Shorts.

Open Frame Award: Die Caligari FilmBühne in Virtual Reality

Mit der Caligari FilmBühne ist nicht nur der Hauptspielort von goEast, sondern eine wahre Augenweide altehrwürdiger kommunaler Lichtspielhäuser im Zuge der Coronakrise seit Wochen geschlossen. Das hält goEast nicht davon ab, in der Festivalwoche trotzdem einen Programmpunkt im Caligari stattfinden zu lassen. Der russische VR-Künstler und Gewinner des Open Frame Award 2018, Denis Semionov, hat gemeinsam mit Kurator Georgy Molodtsov das 94 Jahre alte Kino in virtueller Realität „nachgebaut“. Das Caligari-VR zeigt im Festivalzeitraum die Wettbewerbsbeiträge des Open Frame Award. Im Foyer können die VR-Künstler*innen und Besucher*innen sich virtuell unterhalten. Dank spezieller Software ist der virtuelle Ort auch am PC zugänglich. Alternativ wird ein Live-Stream des Programms angeboten. „Eintritt“ ist frei!

Solidarität für Filmschaffende – Ein Preisgeld für alle

Im Wettbewerb für den Spiel- und Dokumentarfilm vergibt eine fünfköpfige internationale Jury normalerweise die drei Hauptpreise: „Goldene Lilie“ für den Besten Film (10.000 Euro), den Preis für die Beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden (7.500 Euro) und den Preis des Auswärtigen Amtes für Kulturelle Vielfalt (4.000 Euro). Der RheinMain Kurzfilmpreis (2.500 Euro) wird von einer regionalen Jury aus dem Rhein-Main-Gebiet vergeben. Da die Filmbranche im Zuge des Coronavirus in ganz Europa allerdings einen nachhaltigen Schaden erleidet und unabhängige Filmemacher*innen in Mittel- und Osteuropa hiervon besonders hart getroffen werden, hat sich goEast in Absprache mit den Preisstiftern dazu entschieden, die vier Hauptpreise in einer Gesamthöhe von 24.000 Euro solidarisch unter allen Wettbewerbsfilmen, ob kurz oder lang, aufzuteilen.

Workshops und Seminare online im East-West Talent Lab

Das Nachwuchsprogramm von goEast hat sich das Ziel gesetzt, junge Filmschaffende aus Mittel- und Osteuropa zu unterstützen. Das Programm aus Workshops und Netzwerkveranstaltungen wird komplett online stattfinden.

15 Projekte aus acht verschiedenen Ländern wurden für das East-West Talent Lab ausgewählt, darunter auch das Kurzfilmprojekt „Frozen Oranges“ von Dascha Petuchow aus Kasachstan. Die Filmemacherin studiert in Wiesbaden an der Hochschule RheinMain Kommunikationsdesign und ist eine von 15 Teilnehmer*innen, die ihre Projekte am 11. Mai 2020 in einem öffentlichen Online-Pitch der Jury sowie dem Publikum vorstellen werden.

blogEast gibt Kulturschaffenden in Krisenzeiten eine Stimme

Die Covid-19 Pandemie bedroht schon jetzt unzählige Kulturschaffende in ganz Europa existenziell. goEast gibt den Betroffenen eine Stimme und ruft aus diesem Grund blogEast ins Leben. Die Plattform gibt mittel- und osteuropäischen Kolleg*innen und Freund*innen von goEast die Möglichkeit, ihre Situation auf politische, soziale und auch filmische Weise zu beleuchten und/oder über Hilfsaktionen und positive Initiativen zu berichten. Wöchentlich werden neue Beiträge veröffentlicht. blogEast wird durch das goEast Team betreut und ist Teil des vom Kulturfonds Frankfurt Rhein Main geförderten Programms Paneuropäisches Picknick.

Wettbewerb mit Gästen bei Exground im Herbst

„Solidarität ist das Gebot der Stunde“, sagte die Leiterin des Deutschen Filminstituts, Ellen Harrington, bei der goEast-Pressekonferenz. Wiesbaden-interne Solidarität zeigt sich dann im Herbst. Der goEast-Wettbewerb wird mit allen Filmen beim Exground Filmfest „Unterschlupf“ finden. Dort gibt es dann lebendiges Festivalfeeling und auch „echte“ Gäste. Und das Symposium wird im Juli im Deutschen Filmmuseum Frankfurt stattfinden. Hätte das goEast Festival stattgefunden, wäre übrigens das Festivalzentrum vom Stammort der Casino-Gesellschaft mit ihrem besonderen Charme erstmals in Kulturforum umgezogen. „Das hatte einen ganz prosaischen Grund“, klärte goEast-Leiterin Gerritsen auf: „Da unser Termin in den Mai fiel, hätte die Casino-Gesellschaft nicht für alle Tage zur Verfügung gestanden – weil sie in diesem Monat viel für Hochzeiten gebucht ist.“

www.filmfestival-goeast.de

 

Im letzten Jahr war Festivalleiterin Heleen Gerritsen Gast der sensor-Veranstaltung „Eine Runde Tresentalk“ im Walhalla im EXIL.

Den Podcast zum Talk mit dem kompletten Tresengespräch gibt es HIER.

Oder direkt hier: