Von Dirk Fellinghauer.
Dass ein Millionär und ein Obdachloser in einer Diskussion „gleichberechtigt“ zu Wort kommen, kommt eher selten vor. Dass Uwe Kemmesies und Gerhard Trabert diesem wie jenem Raum geben in ihrem gemeinsam herausgegebenen Buch, ist nur eine Besonderheit von „Solidarität in Zeiten von Corona und darüber hinaus“. Ihr „Plädoyer für eine nachhaltige Armutsbekämpfung“, wie das gerade erschienene gut-300-Seiten-Werk im Untertitel heißt, lässt ganz viele ganz unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen. Wissenschaft und Forschung trifft Clubbing und Kultur trifft Politik und Philosophie und Religion, Prominenz trifft Unbekannt, lokal trifft global. Und zwar alles auf ganz unterschiedliche und erfrischend andere Art und Weise.
Solidarität als Schlüsselressource
Hier wird nicht immer wieder Gleiches noch ein weiteres Mal leicht variiert erzählt. Hier wird – von Wiesbaden aus, von ganz Deutschland aus, auch von New York aus – ganz neu, oft sehr persönlich, erzählt, was Armut alles sein kann – und was man dagegen unternehmen kann. Das Buch überrascht, fordert heraus, scheut sich nicht vor Unbequemlichkeiten. Es macht Mühe, aber auch Hoffnung, es benennt Probleme, formuliert aber auch Lösungsideen. Die Floskel von der „Krise als Chance“ wird hier ganz konkret lebendig: „Wir sollten neben den Kollateralschäden auch den Kollateralnutzen mitdenken dürfen“, heißt es im Vorwort.
Mehrdenker kommen zu Wort
Hier wird auch viel quer gedacht – und zwar tatsächlich, wohltuend und motivierend und nicht so stupide und befremdlich wie von jenen, die diesen an sich ganz wertvollen Begriff seit Monaten missbrauchen (lassen). In diesem Buch kommen Mehrdenker zu Wort. Und sie identifizieren Solidarität als, so Uwe Kemmesies, „Schlüsselressource unserer Gesellschaft“. Das Buch will, so schreibt er, „anregen, ins Gespräch zu kommen, und dazu motivieren, sich auf andere Perspektiven einzulassen“. Und: „Das Buch will sich ausdrücklich nicht am Ringen um die Deutungshoheit zur Corona-Krise beteiligen. Es will sich nicht an den wechselseitigen Bezichtigungen beteiligen, zu verharmlosen oder Panik zu verbreiten.“
Nicht die eine Antwort, sondern ganz viele Antworten
Es ist ein Buch zu, über und wegen Corona, es weist aber weit über die Corona-Krise hinaus. Die Vollbremsung durch die Pandemie ließ uns innehalten und fragen: Wollen wir wirklich so weiterleben wie bisher? Nicht die eine Antwort, sondern ganz viele Antworten finden sich in dem Buch. Sehr persönlich formuliert – manche der Beitragenden lassen in ihren Schilderungen und Gedanken die Hosen runter – von den Herausgebern selbst, aber auch zum Beispiel von der Schauspielerin Llewellyn Reichman, dem Kabarettisten Benedikt Eichhorn, der früheren Entwicklungshilfe-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, von dem Künstler Titus Grab, dem Journalisten Stephan Hebel, dem Unternehmer Kevin Dolan, der Techno-Club-Betreiberin Pamela Schobeß oder dem Millionenerben Antonis Schwarz. Poetisch „begleitet“ wird das auch reich bebilderte Buch von Daniela Daub.
Das Buch, in das man kapitelweise reinschmökern oder es auch am Stück lesen kann – und das sich auf jeden Fall auch als besonderes Weihnachtsgeschenk eignet -, gesteht einem schweren Thema auch Leichtigkeit zu. Das zeigt sich schon auf dem Cover, illustriert von Steffen Kraft, der auch weitere Illustrationen beisteuert und in seinem Textbeitrag sagt: „Angst ist ein Kreativitätskiller“. Wir sagen: Lest dieses Buch! Es bereichert ungemein.
Buchliefer-Service
Exklusiv für die sensor-Leserschaft bietet Herausgeber Uwe Kemmesies am 3. Adventswochenende im Stadtgebiet Wiesbaden persönliche Auslieferung an – am 12./13. Dezember zwischen 10 und 18 Uhr. Anmeldung/Bestellung unter: Buchlesung2020@gmail.com
Bitte angeben: Namen, Adresse, Anzahl gewünschter Bücher (Preis 24 Euro), Telefonnummer für kurzfristige Absprachen sowie den gewünschten Liefertermin (+/- 1,5 Stunden). Der Erstherausgeber bringt die gewünschte Anzahl an Büchern persönlich vorbei und steht für ein kurzes Austauschgespräch bei Übergabe an der Wohnungstür unter Einhaltung der Hygienebedingungen zur Verfügung.
Übrigens: Das Buch bereichert Leser*innen, aber nicht die Beteiligten: Diese haben sich ausnahmslos geeinigt, auf Honorare und Gewinnbeteiligungen zu verzichten und diese zu 100% an folgende Organisationen zu spenden: Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., Friedensdorf International und medico international e.V.
Buchvorstellung im Rahmen von „WIR in Wiesbaden“ in der Hochschule RheinMain: