Von Dirk Fellinghauer.
Synthetische Biologie als Designdisziplin oder Architektur als Aktivismus – man würde kaum von selbst drauf kommen, sich über solche Themen Gedanken zu machen. Themen wie diese sind es, die im Mittelpunkt der see-Conference stehen, die in diesem Jahr Jubiläum feiert. Zum zehnten Mal hat das Initiatoren- und Organisationsgespann Michael Volkmer und Peter Post mit einem vielköpfigen Team einige der kreativsten und visionärsten Köpfe weltweit ausgemacht und eingeladen, in Wiesbaden ihre teilweise kühnen Ideen in spannenden Vorträgen zu präsentieren. Das ist gar nicht so einfach, wie es scheinen mag: „Ein tolles Thema, ein gesellschaftlicher Anspruch – und dann muss es noch ein toller Sprecher sein, da wird die Luft schon schnell dünn“, beschrieb gestern Kurator Peter Post, wie „picky“ er bei der Zusammenstellung des Programm ist. Entsprechend dürfen sich die rund 800 Besucher nun auf wirklich neue und spannende Gedanken bei der Jubiläums-see freuen.
Die 10. Ausgabe der see-Conference „zur Visualisierung von Information“ findet am Samstag, 18. April, mit sensor als Medienpartner, wieder in der großen Schlachthof-Halle statt – nach einjähriger Verschnaufpause, 2014 gab es ein „see camp“ im kleineren Format. Noch gibt es Tickets, aber die Veranstalter rechnen auch diesmal wieder mit einem ausverkauften Haus. Auf einer der größten Design-Konferenzen in Deutschland werden einen ganzen Tag lang neue Ansätze in Design, Kunst, Architektur, Philosophie, Wissenschaft und Technologie von inspirierenden Vor- und Querdenkern vorgestellt.
Gesellschaftliche Verantwortung der Kreativen
„Die see-Conference beschäftigt sich neben dem Thema der Datenvisualisierung schon immer mit nachhaltigen Konzepten“, erklärt Michael Volkmer den speziellen Ansatz, nicht nur Fachkonferenz zu sein, sondern auch gesellschaftliche Relevanz zu beanspruchen: „Deswegen eröffnen unsere Sprecher in ihren Vorträgen immer neue Blickwinkel auf treffsichere Kommunikation zu den Einflüssen heutigen Handelns auf die Gesellschaft und Umwelt zukünftiger Generationen. Es sind Visionäre, die unser Anliegen Nachhaltigkeit verstehen, leben und voranbringen.“ Je komplexer ein Thema werde – und welches Thema wird heutzutage nicht immer komplexer? -, desto mehr müsse man sich auf Bilder konzentrieren, um Zusammenhänge zu erkennen, lautet die Logik des see-Machers, der überzeugt ist: „Kreative haben auch gesellschaftliche Verantwortung.“
Gesellschaftliche Verantwortung haben sich auch die see-Sprecher auf die Fahnen geschrieben. Der diesjährige Keynote-Sprecher Harald Welzer etwa, der zum zweiten Mal auf der see sprechen wird, ist Mitbegründer und Direktor der gemeinnützigen Stiftung „Futurzwei“ und seit Juli 2012 Honorarprofessor für Transformationsdesign. In seinen Thesen wagt er den Blick über den Tellerrand: „Wachstums-Gesellschaften fangen erst an richtig zu funktionieren, wenn alle Bedürfnisse befriedigt sind, nicht etwa weil man ständig noch offene Bedürfnisse hat, die man noch befriedigen muss.“
Lernen vom Leben in den Slums
Der Architekt und Stadtplaner Teddy Cruz hat viele Jahre die urbane Entwicklung an der Grenze von Tijuana und San Diego beobachtet und festgestellt, dass hoch entwickelte Städte wie L.A. von den Entwicklungen in Slums und der kreativen Intelligenz ihrer Bewohner lernen können. „Wo andere Armut und Verfall gesehen haben hat er die Samen eines dynamisch-lebhaften Sozial- und Architekturmodells gesehen“, schrieb die New York Times.
Alexandra Daisy Ginsberg wurde in die Liste der 20 vielversprechendsten Designer des kommenden Jahrzehnts gewählt. Mit ihren Ideen für „Biodesign“ wird sie nach Einschätzung Volkmers die intensivsten Diskussionen auf der Konferenz auslösen. Van Bo Le-Mentzel ist ein kreativer Querdenker, der den Regelbruch als Chance sieht und die Kunst des Sehens in verschiedensten Ansätzen interpretiert. Bekannt geworden ist er unter anderem mit „Hartz-4-Möbeln“. Seiner Aversion gegen Power Point ist zu verdanken, dass er mit einer Liveperformance auftreten wird. Ko Tanaka gilt als einer der größten Kreativköpfe der digitalen Werbung. Francesco Franchi vermittelt als visionärer Infografiker, Journalist, Professor und Buchautor umfassende Gedanken zur Zukunft der Nachrichten- und Medienlandschaft.
And the Oscar-Preisträger goes to … Wiesbaden! Und er stammt aus Wiesbaden. Mit dem Filmemacher Volker Schlöndorff hat die „see“ kurz vor knapp noch ein großer Name der „alten Schule“, der aber auch als 76-jähriger noch ganz nah am Puls der Zeit ist, für die Rednerliste geangelt und über Storytelling reden. „Er schafft es, auch sperrige Themen so zu erzählen, dass sie unterhaltsam sind“, zeigt sich Michael Volkmer beeindruckt.
Bei der Ausstellung während der see zeigen Hochschulen aus ganz Deutschland zukunftweisende Projekte. Die Wiesbadener Hochschule RheinMain sucht man bei der Liste der Aussteller vergebens. „In diesem Spitzensegment sind andere Hochschulen bedeutender“, erklärte Peter Post, dass Wiesbaden bei den Zukunftsthemen „Phsysical Computing“ und „Internet der Dinge“ noch nicht sehr präsent sei. Generell sprach er aber von einem „großen Pool an Talent“ der hiesigen Hochschule.
Und danach: Tanzen, Gedanken machen und Staunen im digitalen Streichelzoo
Nach so viel Input bei der Konferenz wird gefeiert – auf der see-Party „Klubdings01“ mit Gastgeber Franksen, Hans Nieswandt (Foto) und Tim Ederer im Kesselhaus. Und am Tag drauf werden die Konferenzthemen beim see-Camp vertieft. Ab 10 Uhr sind am 19. April alle Interessierten bei freiem Eintritt in der Agentur Scholz & Volkmer, die die Konferenz stemmt und dabei kräftig draufzahlt, wie Michael Volkmer berichtete – willkommen – zu Workshops mit Sprechern der Konferenz und zum Einbringen und Entwickeln eigener Gedanken zum Thema reduktiver Lebensstil, zum Tag der Offenen Tür und dem „digitalen Streichelzoo“ mit Einsicht in die Arbeit mit neuesten digitalen Gadgets.
sensor präsentiert die see-Conference als Medienpartner und verlost 2 Tickets im Wert von 115 Euro: Mail mit Begründung, warum du unbedingt auf die see mußt, an losi@sensor-wiesbaden.de
sehr anregender Artikel im sensor! Als dipl. produktdesignerin der hfg of wär ich, na klar, gern bei der Konferenz dabei – dreh aber immer noch jeden cent um………Bin noch eingeschrieben! Studi-Ticket würde reichen!