Von Selma Unglaube (Text & Foto).
Corona und die Folgen. Das Virus legt auch die Wiesbadener Welt lahm, zwingt zur Auszeit. Berufstätige Eltern stellt die Situation vor besondere Herausforderungen. Unsere Autorin berichtet in loser Folge im sensor-#coronatagebuch von ihren Erfahrungen als Mutter (Tochter 6, Sohn 13) im Home-Office berichten – und lädt ein zum Austausch. Heute: Corona-(Zwischen)bilanz und Erlebnisse im Freibad.
Die Corona-Zeit hat vieles auf den Kopf gestellt – das Zeitgefühl ist irgendwo auf der Strecke geblieben, Prioritäten haben sich verschoben (der Haaransatz geht doch noch…). Wir haben die gemeinsame Zeit genossen und auch nicht, schwankten zwischen Langeweile und Überforderung, zwischen Entschleunigung und Mega-Stress. Ein paar persönliche Fakten:
Insgesamt wurden Dank Homeoffice 2.625 Kilometer weniger mit dem Auto zurückgelegt, zu zweit 1.050 Tassen Kaffee getrunken, Lebens-, Ehe- und Erziehungskrisen überstanden, jeweils 9 mal Kindergarten und Schule besucht, ernsthaft über den Erwerb von Tischsets nachgedacht (bis ich zur Besinnung kam), dem stringenten Schwarz-Weiß-Grau-Einrichtungsstil abgeschworen und ein Regal mit gelben Klappen bestellt, ca. 200 Bücher aussortiert, Wände gestrichen, das Familiengewicht bei ungerechter Verteilung um ca. 4 Kilo gesteigert, nach Ewigkeiten wieder mit alten Freunden telefoniert, Nachbarn verflucht und liebgewonnen, verflucht und liebgewonnen, verflucht…
Die Mutmach-Gedanken an der Ringkirche sind verschwunden, ebenso der freundliche Türsteher im Supermarkt um die Ecke. Geblieben sind das Virus und die Angst, das Klopapier könnte wieder knapp werden.
Aber jetzt stehen erst mal die Ferien vor der Tür: endlich wieder Zeit für die Familie und fürs Freibad. Der Einlass mit den online gekauften Tickets läuft reibungslos. Wir breiten uns auf der unteren Reihe von dreien am Nichtschwimmerbecken aus. Die mittlere Reihe darf laut Bademeister wegen der Abstandsregelung nicht belegt werden. Alle 15 Minuten desinfiziert er sämtliche Geländer und erinnert Besucher im Eingangsbereich daran, ihre Masken zu tragen.
Den Bademeister plagt die Langeweile – in der Frühschicht zumindest …
Das Schwimmbad ist angenehm leer – Zeit für einen Plausch mit ihm. Wir erfahren, dass der Online-Ticket-Verkauf nur schleppend läuft und deshalb ein Ticket-Kontingent an der Kasse bereitgehalten wird. 5.000 Besucher seien trotz Corona erlaubt, reingelassen werden jedoch höchstens 2.300. Er beklagt sich etwas über Langeweile – seine Schicht ende leider, bevor es nachmittags etwas zu tun gäbe. Was er damit meint, erleben wir wenig später.
Schlagartig ist das Schwimmbad voll. Die Bandansagen, die an die Abstandsregelungen und das Maskentragen erinnern, laufen in kürzerer Taktung. Vor den Augen der neuen Bademeister haben sich mittlerweile die mittleren Reihen gefüllt – Besucher und Bademeister ignorieren sich erfolgreich. Wir fangen an, den Bademeister aus der Frühschicht zu vermissen.
Dotzende Bälle und tanzende Mäuse
Auf dem Weg ins Becken lässt mein Sohn den Gummiball aufdotzen und wird sofort von der Bademeisterin ermahnt, das zu unterlassen. Auf die Frage, warum sie ihn wegen des Dotzens ermahne, aber nichts zu den Leuten auf der zweiten Reihe sage, entgegnet sie lachend, die Schichtleitung sei nicht da und sie könne deshalb nichts machen. Das leuchtet uns natürlich sofort ein: Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse – da kann man eben nichts machen. Also Aufbruch.
Zwei Bademeister versuchen hilflos mit Absperr- und Klebeband die Zugänge zu den Becken zu regulieren. Dahinter hat sich dicht auf dicht eine Menschentraube gebildet, an der wir uns jetzt mit Mundschutz und Körperkontakt vorbeiquetschen. „Das ist so gar nicht parisienne“, ist der lustige Kommentar meiner Freundin auf unsere Schilderungen. Was lernen wir daraus? Soll es parisienne bleiben, spätestens nach dem Verzehr der French Fries nachhause gehen. Ich jedenfalls tauche jetzt ab – bevor die zweite Welle kommt. Au revoir!
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Übrigens: Ab Montag, 6. Juli, werden die Sommerferien über Stadtbus- und Freibadnutzung für Kinder und Jugendliche in Wiesbaden kostenlos sein.