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Wartburg wird zur Wundertüte: Das Staatstheater erprobt neue Formate – „Sängerkrieg“ ist der Renner

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Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Arne Landwehr.

„Auf der Wartburg bei Eisenach kamen im Jahr 1206 sechs tugendhafte und vernünftige Männer mit Gesang zusammen und dichteten die Lieder, welche man hernach nennte: den Krieg zu der Wartburg.“ So leiten die Brüder Grimm in ihren „Deutschen Sagen“ von 1816 ihre Beschreibung des Ereignisses ein. Damals herrschten raue Sitten: Es war vereinbart, dass der Sänger, der im Liederwettstreit unterliegt, noch am selben Tage vom Henker hingerichtet wird! Ganz so heftig geht es in der Wiesbadener Wartburg – 1906 als Sängerheim für einen Männergesangverein erbaut – natürlich nicht zu. Aber ein „Sängerkrieg“ ist auch hier wieder aus der Taufe gehoben worden. Mit riesigem Erfolg ging Ende Januar die erste Folge über die kleine Bühne, die das neue Staatstheater-Team mit frischem Wind versorgen will. Durch die Lage mitten in der Innenstadt an der belebten Schwalbacher Straße habe die Spielstätte sowieso „urbaneren Charakter“ als das altehrwürdige Große Haus, findet Dramaturg Sascha Kölzow.

Hier soll sich auch eine jüngere Zielgruppe ohne Schwellenängste wohlfühlen. Trotzdem: „Beim ersten Sängerkrieg hatten wir ein ganz gemischtes Publikum“. Die beiden Moderatoren, die sich das Staatstheater eingekauft hat, sind erfahren auf dem Gebiet der „Slam“-Kunst. Auch hier gibt es den Wettbewerbscharakter wie einst im Mittelalter. Und auch hier soll nicht einfach nur ein Gedicht aufgesagt werden, sondern der Vortragende inszeniert sich, ergänzt den Text-Vortrag mit Performance-Elementen. Jens Jekewitz vom Schlachthof, der dort regelmäßig slamt, und Ken Yamamoto, der in Berlin und Mainz gemeinsam mit Staatstheater-Dramaturgin Katharina Gerschler auf ähnlichem Gebiet aktiv war, sind die Conferenciers beim „Sängerkrieg“ auf der Wiesbadener Wartburg. Den gewann bei der Premiere ein völlig Unerwarteter. Roland Vanecek, Tubist im Staatsorchester, begeisterte mit einem genreübergreifenden Vortrag. Das ist genau das Überraschungselement, auf die die Macher zählen: Nicht nur Texte, auch Musik, Schauspiel, Tanz, Zauberei – was auch immer eine gelungene Performance ergibt, soll auf die Wartburg-Bühne. Das Publikum vergibt Punkte. Zusammengestellt werden die Teams vom Theater: „Heimspieler“ aus dem Ensemble und Gäste.

Unterhaltung mit Spannungsmoment

„Der Wettbewerb ist aber nicht so ernst hier“, sagt Ken Yamamoto beim Milchkaffee auf der „Wohnzimmer“-Terrasse der Wartburg. Fertig gemacht wie im Fernsehen werde sowieso niemand: „Das soll reinen Unterhaltungscharakter haben, aber durch den Wettbewerb eben auch ein bisschen Spannung bieten“. Und so wird sich den Zuschauern auch in der zweiten Auflage des Sängerkriegs, am 30. April, wieder eine Wundertüte an unterschiedlichsten Bühnenerlebnissen bieten.

Alle paar Monate solle ein „Sängerkrieg“ stattfinden, plant Sascha Kölzow. Andere Slam- Aufführungen sind aber auch nicht ausgeschlossen. So könnte Katharina Gerschler sich vorstellen, ein „Dead or alive“-Slam, „Tote gegen lebende Dichter“, zu veranstalten – in der Szene ein bekanntes Forma. In der Wartburg, finden alle, ist für so genau der richtige Platz, um Neues auszuprobieren. Potenzial für spannende Veranstaltungsformate sehen die Theatermacher auch in der neuen Gastronomie im Erdgeschoss, dem „Wohnzimmer“. „Das haben wir gleich belagert und zu unserem eigenen Wohnzimmer deklariert“, sagt Kölzow. Auch dort gibt es Auftrittsmöglichkeiten, mittwochs beispielsweise lockt die „Jam Session“ erstklassige Musiker auf die offene Bühne. Mit „In bester Gesellschaft“ hat auch eine neue Reihe des Theaters hier schnell ein Zuhause gefunden: Dabei unterhalten sich zwei Schauspieler locker über Gott und die Welt. Beim nächsten Termin am 9. April talken Roland S. Blezinger und Christian Erdt, moderiert von Tom Gerber. Und beim nächsten „Sängerkrieg auf der Wartburg“  entscheidet das Publikum, ob der fulminante Tubist Vanecek, übrigens auch Liveact bei der 3-Jahre-sensor-Party am 11. April im Kulturpalast, seinen Titel verteidigt – oder ob der nächste Gewinner ein Tänzer, ein Zauberer oder ein Akteur eines noch nicht bekannten Genres ist. Wundertüte eben, so ist die Idee.

Wir verlosen 3×2 Freikarten für den nächsten „Sängerkrieg in der Wartburg“, am 30. April unter dem Motto „Alle gegen alle Slam“, der schon wieder kurz vor ausverkauft ist: Mail mit einem guten Grund, warum ausgerechnet du dabei sein musst, an losi@sensor-wiesbaden.de