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Neuer Straßenbahn-Anlauf für Wiesbaden? Dezernent Kowol äußert sich drei Jahre nach dem Citybahn-Aus

So in etwa hätte es in Wiesbaden – hier an der Ringkirche – aussehen können, wäre der Bürgerentscheid 2020 pro Citybahn ausgefallen.

Und schon sind fast drei Jahre rum seit dem Bürgerentscheid gegen die Citybahn in Wiesbaden – und damit die Zeit, für die der Beschluss bindend war und nach deren Ablauf theoretisch ein neuer Anlauf genommen werden könnte für eine Wiesbadener Straßenbahn. Verkehrsdezernent Andreas Kowol hat sich nun zu dieser Option geäußert.

Bei einer Online-Fragestunde auf Facebook am Dienstagnachmittag stellte ein Teilnehmer die Frage: „Am 1.11. läuft das Denkverbot in Sachen Straßenbahn aus – wäre das der Anlass für neuen Anlauf?“. Zur Erinnerung: Beim Bürgerentscheid am 1. November 2020 hatten sich nach erbitterten Diskussionen der Pro- und Contra-Lager  62,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler gegen die Citybahn entschieden, 37,9 Prozent stimmten für eine Umsetzung. Die Wahlbeteiligung lag bei 46,2 Prozent.

Die Citybahn sollte ab 2022 zwischen Mainz Hauptbahnhof West und der Hochschule RheinMain verkehren und täglich bis zu 82.000 Fahrgäste transportieren. Das ablehnende Votum des Bürgerentscheids ist für drei Jahre bindend, theoretisch könnte die Stadt also ab November 2023 wieder eine Straßenbahn-Initiative starten.

Ganz persönlich ist Dezernent Andreas Kowol in Sachen Wiesbadener Verkehrschaos und ÖPNV-Misere fein raus. Der Stadtrat ist sowohl beruflich wie privat meistens mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs.

Die Antwort von Andreas Kowol auf die entsprechende Frage fiel jedoch recht eindeutig aus: „Ich selbst sehe keine Veranlassung, einen neuen Anlauf zu nehmen“, meinte der Verkehrsdezernent, der sich 2020 verhement für das Projekt eingesetzt hatte.

Er stellte klar, dass er es nicht als seine Aufgabe ansehe, das Thema wieder auf die Tagesordnung zu holen: „Das wäre eine politische Entscheidung der städtischen Gremien, allen voran der Stadtverordnetenversammlung“, meinte Kowol und sagte: „Sollte es dort Initiativen geben, würden wir natürlich prüfen, wie man damit umgehen kann oder muss.“ Aus seiner persönlichen Skepsis, ob man das heiße Eisen nochmal anpacken sollte, machte er dabei keinen Hehl: „Man muss sich gleichwohl sehr gut überlegen, ob man ein neues Schienenprojekt auf den Weg bringt.“

Er verwies auf andere Schienenprojekte in und um Wiesbaden, die bereits konkret geplant oder in der Pipeline seien – nämlich die Wallauer Spange zwischen Wiesbaden und dem Frankfurter Flughafen, an der man intensiv arbeite, und, ein ihm „besonders wichtiges“ Anliegen: „Wir wollen die Aartalbahn auf den Weg bringen, da gibt es gute Voruntersuchungen“, bekräftigte Kowol die Absichten für dieses Vorhaben, bei dem eine Bestandsstrecke saniert werden und wieder für den Schienenverkehr nutzbar gemacht werden soll.

UND WAS SAGT IHR? SOLLTE DIE STADT EINEN NEUEN STRAßENBAHN-ANLAUF NEHMEN ODER DAS THEMA EIN FÜR ALLEMAL AD ACTA LEGEN? (dif)

6 responses to “Neuer Straßenbahn-Anlauf für Wiesbaden? Dezernent Kowol äußert sich drei Jahre nach dem Citybahn-Aus

  1. Wiesbaden sollte den Verkehrsdezernenten wechseln, denn dieser ist mutlos und nicht in der Lage, den Menschen Vorteile eines nachhaltigen Mobilitätskonzeptes zu vermitteln. Ansonsten empfehle ich den 8-spurigen Ausbau der Biebricher Allee sowie des 1.+2. Rings. Ohne Geschwindigkeitsbegrenzung, denn das sind eh nur Empfehlungen, die nicht eingehalten und bei denen Verstöße auch nicht geahndet werden. Diese Stadt gehört den Autos. Daran wird sich zu meinen Lebzeiten nichts mehr ändern. Sobald die Kinder aus dem Haus sind, ziehen wir weg.

    1. Schau dich in Ostdeutschland um, da wird die Straßenbahn (noch) als zukunftsfähiges Verkehrsmittel gesehen. Leider wird auch hier der westdeutsche Pöbel gegen die Straßenbahn und pro SUV immer stärker spürbar. Die autozentrierte Politik des Bundesverkehrsministerstammbaums tut ihr übriges…

    2. Da muss ich Kowol verteidigen: das Thema Straßenbahn ist, so schade ich es selbst finde, politisch aktuell nicht machbar. Und schon gar nicht finanzierbar. 90% der Kosten hätte die Stadt ja nicht bezahlt, weil Bund und Land gefördert hätten. Die entsprechenden Gelder werden ja nicht zur Seite gelegt, bis wir uns als Stadt dann doch mal für ne Straßenbahn entschieden haben. Die gehen halt woanders hin, zB nach München oder Hamburg. Bis wir wieder in die Situation kommen, dass es da auch nennenswert Geld aus entsprechden Fördertöpfen gibt, kann das schlicht dauern.

  2. Eine Regiotram (nichts anderes war die Citybahn) hätte, durch die Erschließung der Mainzer, Taunussteiner, Bad Schwalbacher Kauf- und Arbeitskraft, Wirtschaft und Einzelhandel im Stadtzentrum wesentlich gestärkt – im Großen nennt man das EU-Binnenmarkt, oder Globalisierung, davon profitieren wir in DE erheblich. Nicht ohne Grund hat die Kampagne der Citybahngegner im Duktus  stark an die globalisierungsfeindliche Brexit-Kampagne erinnert. Bereits 2012, und nun wieder, hat Wiesbaden sich eine Mobilität auf dem Niveau einer Kleinstadt verordnet – weshalb die Probleme der Innenstadt auch kleinstadttypisch sind (Donut-Effekt).
    Ein neues, lokales Straßenbahnprojekt kann den ÖPNV effizienter und kostengünstiger machen; die Effekte einer Regiotram wird man jedoch nicht erzielen. Auch nicht mit einer im Halbstundentakt bedienten Aartalbahn, die im Nirgendwo endet und 10% der prognostizierten Verkehrsleistung der Citybahn hat. Zudem: Die Hunderte von Millionen Fördermittel sind weg, sie fließen in andere Städte (München und Kiel). Selbst wenn Wiesbaden ein neues Straßenbahnprojekt konzipieren und sich wieder in die Warteschlange stellen würde –  es kostet viel Geld und dauert viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis zu einer erneuten Förderchance.
    Man muss leider feststellen: der Schaden, den die Protagonisten hinter der Anti-Citybahn-Kampagne angerichtet haben, ist nachhaltig und kann nicht repariert werden. Wiesbaden wird es schmerzhaft spüren.

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