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Stadtverordnete geben Gas für Tempolimit in Wiesbaden – Junge Themen heute auf der Tagesordnung / Klimademo

Von Dirk Fellinghauer.

Die neu gewählten Wiesbadener Stadtverordneten treten mächtig aufs Gaspedal. Gleich in ihrer ersten regulären Sitzung (nach der konstituierenden) wollen sie heute weitreichende Beschlüsse für verschiedene elementare Lebensbereiche in unserer Stadt fassen: Tempolimit in Wiesbaden, mehr günstiger Wohnraum, Azubi-Wohnheim, freier Eintritt für Kinder und Jugendliche in Schwimmbäder und andere Einrichtungen. In der derzeit noch koalitionsfreien Stadtverordnetenversammlung machen dabei Grüne, SPD, Linke und Volt intensiv gemeinsame Sache. Andere Anträge auf der Tagesordnung drehen sich um die Innenstadt, offene Fragen zur von SEG-Chef und SPD-Mitglied Roland Stöcklin und seiner Gattin geplanten und höchst umstrittenen Kita Hellmundstraße, Reaktivierung Aartalbahn oder Europastadt Wiesbaden. Die öffentliche Sitzung beginnt um 16 Uhr im Thiersch-Saal des Kurhauses.

Einen gemeinsamen Antrag für zwei Pilotprojekte zum innerstädtischen Verkehr bringen Grüne, SPD, Linke und Volt heute gemeinsam ein: Die Höchstgeschwindigkeit auf ausgewählten Hauptachsen ganztägig auf 40 km/h zu begrenzen – und auf dem besonders vom Verkehrslärm beeinträchtigten 1. Ring und der Seerobenstraße zusätzlich nachts auf 30 km/h zu reduzieren. Die Ortsbeiräte sollen zudem die Möglichkeit bekommen, in Ihren Stadtteilen eigene Straßen für das Pilotprojekt anzumelden.

Lärmschutz, Verkehrssicherheit, Luftreinhaltung

Die Reduzierung auf 40km/h sei ein effizientes und kostengünstiges Instrument zur Verbesserung des Lärmschutzes, der Verkehrssicherheit und der Luftreinhaltung: „Sie trägt zur Verbesserung des Verkehrsflusses und zur Verlagerung des Durchgangsverkehrs aus der Innenstadt bei und erhöht so dort die Aufenthalts- und Lebensqualität – auch zum Wohle von Gastronomie und Handel.“ Die Pilotprojekte sollen über 1,5 Jahre fachlich begleitet und evaluiert werden. „Wir wollen keine Symbolpolitik. Es ist uns wichtig, dass die Maßnahmen auch das erreichen, was wir anstreben!“, sagt Martin Kraft, Grünen-Sprecher für Mobilität und Vorsitzender des neuen Mobilitäts-Ausschusses der Stadtverordntenversammlung.

Die CDU-Rathausfraktion sieht die Sache ganz anders und hält das Vorhaben hingegen „für einen plumpen Versuch, den Autoverkehr weiter einseitig zu verdrängen und damit die heimische Wirtschaft zu schädigen“ und für „ideologisch motivierten Aktionismus“.  „Eine Reduzierung des Pkw-Verkehrs kann nur mit einer wesentlichen Verbesserung des ÖPNV-Angebots und attraktiven Maßnahmen für Berufspendler einhergehen“, so der CDU-Fachsprecher für Mobilität, Marc C. Dahlen. Weder für das Unfallgeschehen noch für eine Verringerung der Lärm- und Schadstoffemissionen gebe es einen eindeutigen wissenschaftlichen Beleg.

Junge Stadtverordnete, junge Themen

Die SPD und insbesondere ihre neuen  U25-Stadtverordneten Silvana Sand und Silas Gottwald freuen sich, „dass bereits zwei Monate nach der Kommunalwahl so viele junge Themen auf der Tagesordnung stehen.“ Die zeige, „wie wichtig es ist, dass wir uns als junge Generation an Kommunalpolitik beteiligen“, so die jugendpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Silvana Sand.

Erstes Azubi-Wohnheim für Wiesbaden

In einem Antrag zum Thema Wohnen fordern SPD, Grüne, Linke und Volt den Bau
eines ersten Azubi-Wohnheims in Wiesbaden. „Auszubildende haben einen anderen Alltag als Studierende und sollten deshalb mit eigenen Wohnheimen berücksichtigt werden. Wenn sich die Planung von Partys und anderer sozialer Aktivitäten an den Vorlesungszeiten der Studierenden orientieren, stört das Azubis, die am nächsten Tag zur Arbeit müssen. Darüber hinaus sind Auszubildende in der Regel etwas jünger als Studierende.“, so Sand.

Günstigen Wohnraum schaffen, klimaneutral bauen

Die 81 Wiesbadener Stadtverordneten – hier bei ihrer konstituierenden Sitzung – tagen in pandemischen Zeiten nicht im Rathaus, sondern in der prächtigen Kulisse des Kurhauses. Foto: Dirk Fellinghauer

Die rot-grün-links-progressive Antragskoalition, die über mit 43 von 81 Stadtverordneten über eine Beschlussmehrheit verfügt, bringt das Thema Wohnraum auch grundsätzlich auf die heutige Tagesordnung – mindestens 30% geförderter Wohnraum bei Neubauten, bei städtischen Gesellschaften sogar 40%, Wohnungsneubauten auf Klimaneutralität ausrichten, Leerstandskataster für die städtischen Gesellschaften GWW und GeWeGe und Wiedereinführung Zweckentfremungsverbot werden gefordert.

Kostenfreie Freizeit-Freuden für Kinder und Jugendliche

Weiterhin beantragen SPD, Grüne und Linke heute, dass die Stadt Wiesbaden allen unter 18 kostenfreien Eintritt in den Wiesbadener Schwimmbädern, sowie Skatehalle und Schloss Freudenberg ermöglichen soll. Darüber hinaus soll die Nutzung der Wiesbadener Buslinien für die gleiche Gruppe kostenfrei sein. Das gesamte Paket soll für die Sommerferien gelten. Der Grün-rot-rote Antrag richtet den Blick jedoch nicht ausschließlich auf diesen Sommer, sondern soll auch über das Jahr 2021 hinaus kostenfreien Eintritt in den Wiesbadener Schwimmbädern auf den Weg bringen. Zu diesem Antrag konnte sich Volt im Vorfeld noch nicht durchringen. „Wir streben ein Konzept an, in dem gezielt finanziell schlechter gestellten Familien – durch kostenlose Teilhabe an noch weiteren Angeboten – umfassender geholfen wird anstatt allen ein bisschen“, erklärt Fraktionsvorsitzende Maria Vinha. Nicht ausgeschlossen, dass man in der Debatte heute noch zu einer gemeinsamen Linie findet.

Bündnis Stadtklima ruft auf zur Schilder-Demo für unser Stadtklima

„Klimawandel und seine Konsequenzen: Auch unsere Stadtverordneten stehen in der Verantwortung für Klimaschutz und Klimaanpassung auf kommunaler Ebene“, sagt das Bündnis Stadtklima – und ruft deshalb heute um 15 Uhr unmittelbar vor der Stadtverordnetenversammlung auf zu einer Schilder-Demo vor dem Kurhaus. Man will erinnern an den Beschluss zum Wiesbadener Klimanotstand, die Ergebnisse der KlimPrax-Studie Mainz/Wiesbaden, das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Klimaschutzmaßnahmen müsse Strahlkraft haben bis in die Kommunen: „In Wiesbaden steht zu Klimaschutz und Klimaanpassung viel auf dem Papier. Die Fakten liegen auf dem Tisch, sind jedoch bislang keine handfeste Grundlage für Entscheidungen. Das muss sich ändern!“.