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Vor der „Finger weg vom Kultur- und Sozialetat“-Demo: Betroffene mobilisieren, Koop beschwichtigt, CDU höhnt

 

Von Dirk Fellinghauer.

Seit ein paar Tagen gibt es für halb „Social Media-Wiesbaden“ gefühlt nur ein Thema: die große „Finger weg vom Kultur- und Sozialetat“-Demo an diesem Donnerstag ab 15 Uhr auf dem Schlossplatz vor dem Rathaus. Hintergrund: Drohende drastische und für viele Einrichtungen und Angebote existenzbedrohende Kürzungen im anstehenden städtischen Doppelhaushalt. Betroffene und sich Solidarisierende fluten derzeit alle Kanäle auf Facebook, Twitter, Instagram mit „Kommt alle zur Demo“-Aufrufen. Ebenso wird natürlich auch im „echten“ Leben, auf analogen Wegen, mobilisiert. Derweil meldet sich im Vorfeld auch die Stadtpolitik selbst zu Wort.

Wie wiederholt berichtet, schlagen soziale Einrichtungen, der Kulturbeirat und der AK Stadtkultur Alarm angesichts der im Raum stehenden Kürzungen – und machen gemeinsame Sache bei der großen Demo im Schulterschluss am 28. September um 15 Uhr vor dem Rathaus.

Demo vor der Stadtverordnetenversammlung

Im Rathaus beginnt um 16 Uhr die öffentliche Stadtverordnetenversammlung, in der der neue Stadtkämmerer (und Schul- und  Kulturdezernent) Hendrik Schmehl seinen für viele wohl äußerst schmerzhaft klingenden Kämmererentwurf vorstellt – die Basis und Diskussionsgrundlage für anstehende Haushaltsberatungen.

Rathaus-Kooperation beteuert: Wir nehmen die Sorgen ernst

„Die Rathaus-Kooperation aus GRÜNEN, SPD, DIE LINKE. und Volt nehmen die Sorgen vieler und die Bedenken der freien Träger sehr ernst und werden diese in den laufenden Beratungen berücksichtigen“, beschwichtigten die Regierungsfraktionen in der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung in einer gemeinsamen Pressemitteilung – und beteuern: „Unser Anspruch ist es, eine ausgewogene Lösung zu finden, die unsere Stadt in die Zukunft führt und niemanden zurücklässt.“

„Beratungen stehen erst noch bevor“

Die vielfältige und bunte Zivilgesellschaft mit all ihren Projekten und Initiativen sei „eine tragende Säule der Stadtgesellschaft“, lassen die Fraktionsvorsitzenden Gesine Bonnet und Felix Kisseler (B90/Grüne), Silas Gottwald (SPD), Ingo von Seemen (DIE LINKE.) und Janine Vinha (Volt) verlautbaren. Trotz der erheblichen Kürzungsvorgaben in allen Dezernaten würden die politischen Beratungen der Fraktionen im Rathaus darüber, wo und in welchem Umfang tatsächlich Einsparungen umgesetzt werden, noch bevorstehen: „Das letzte Wort hat die Stadtverordnetenversammlung”, betonen die Fraktionsvorsitzenden.

Viele Gründe für knappe Kassen

In vielen Fällen müsse Wiesbaden die Kosten für Aufgaben stemmen, die ihr von Bund und Land aufgebürdet wurden, etwa für die Kinderbetreuung oder für höhere Sozialausgaben. Kostensteigerungen, etwa im Bausektor, bei den Energiepreisen sowie die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst führten zu zusätzlichen Belastungen des städtischen Haushalts. „Zugleich stehen wir vor der Aufgabe, jetzt Investitionen vorzunehmen, die die Stadt mittelfristig krisenfester und zukunftsfähiger machen. Dazu zählen der Umbau der Energieinfrastruktur auf dem Weg zur Klimaneutralität, ein tragfähiges soziales Netz, die Digitalisierung der Verwaltung und nicht zuletzt die Sicherung dringend benötigter Fachkräfte“, so die Kooperationspartner.

Dem Grundbudget des Kämmererentwurfs stünden daher weitere Bedarfe von 215 Millionen Euro (für 2024) beziehungsweise 238 Millionen Euro (für 2025) gegenüber – zusätzlich zu den massiven Einsparvorgaben im Kernhaushalt. „Die verschiedenen Zielsetzungen gilt es unter einen Hut zu bringen und dabei einen Haushalt aufzustellen, der vor dem hessischen Innenministerium als Genehmigungsbehörde besteht“, so die Fraktionsvorsitzenden weiter.  Dafür unterliegt die Kämmerei einer Reihe von Vorgaben, etwa der erkennbaren Ausrichtung auf einen ausgeglichenen Haushalt.

CDU: Nerven der Regierungs-Kooperation liegen blank

„Dem Linksbündnis scheinen angesichts der angekündigten Demonstration der Sozialverbände die Nerven blank zu liegen“, reagiert die oppositionelle Rathaus-CDU höhnisch auf die Vorab-Erklärungen der Regierungskooperation. Diese verspreche weitaus mehr, als das Budget der Stadt hergebe: Der Haushalt 2023 weise bereits heute knapp 65 Millionen Euro Unterdeckung auf – für 2024 und 2025 seien es nach ersten Schätzungen rund 40 Millionen. Es werde bereits heute schon erheblich mehr Geld ausgegeben, als zur Verfügung steht. „Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, dass auf diese horrenden Schulden noch mal Extra-Schulden von derzeit geplant 215 Millionen Euro in 2024 und sogar 238 Millionen Euro in 2025 on top kommen sollen. Das ist doch betriebswirtschaftlich eine Bankrotterklärung“, stellt die Vorsitzende der CDU-Rathausfraktion, Daniela Georgi, fest.

„Haushalt ist kein Wunschkonzert“

Der finanzpolitische Sprecher der CDU-Rathausfraktion, Manuel Köhler, fügt hinzu: „Diese Haushaltsplanung kommt einem vor, wie das Wunschkonzert der Möglichkeiten. Es ist eine ganz einfache Sache: Ich kann nur das Geld ausgeben, was erwirtschaftet wurde. Der Rest ist Augenwischerei und Klientelpolitik, die sich bitter als nicht machbar enthüllen wird.“ Ein Wunschliste mit weit über 200 Millionen Euro Extra-Kosten aufzumachen und Hoffnungen zu schüren, die einfach nicht machbar seien, sei unredlich.  Daniela Georgi befindet: „So sieht definitiv keine seriöse Haushaltsplanung aus! Es gilt im vorhandenen Haushalt strikt abzuwägen, was diese Stadt und deren Bürgerinnen und Bürger wirklich brauchen und dieses dann umzusetzen.“

Beratungen starten 

Die Haushaltsberatungen finden größtenteils im Oktober und November statt. Hierbei werden die Haushalts- und Fachpolitiker:innen sowie die Dezernate zusammenkommen, um alle angemeldeten Posten im Detail zu prüfen. Den Auftakt bilden mehrtägige Haushaltsklausuren der Fraktionen in der Woche nach der Landtagswahl.

Im „Finger weg vom Sozialetat“-Demoaufruf heißt es: „Wir erwarten, dass bei notwendigen Haushaltskürzungen der Sozialhaushalt gesondert berücksichtigt wird. Anderenfalls droht das Wegbrechen einer elementaren Säule der Prävention und Sozialen Arbeit in dieser Stadt mit gravierenden Konsequenzen für alle.“

Und: „Unsere Gesellschaft ist ohnehin durch Spannungen geprägt: Pandemiefolgen, Inflation, die Krise am Wohnungsmarkt und reale Einkommensverluste verursachen Zukunftsängste und existenzielle Notlagen. Das Wegbrechen sozialer Sicherungssysteme verstärken diese Belastungen.“

1 response to “Vor der „Finger weg vom Kultur- und Sozialetat“-Demo: Betroffene mobilisieren, Koop beschwichtigt, CDU höhnt

  1. Redet mal jemand davon, dass durch den Verzicht auf die Straßenbahn jährlich 6-8 Mio Euro an Betriebskostenzuschuss mehr auf dem Zettel stehen, als notwendig? Wurde im vergleichbar großen Kiel so ausgerechnet, dort hat deshalb dann sogar die FDP für die Straßenbahn gestimmt. Fast alle vergleichbaren Städte haben sowas, weil es einfach günstiger ist. Cui bono – wer hat in Wiesbaden davon profitiert, dass die Stadt diese Mehrkosten tragen muss?

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