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Der große Test: Osteuropäisch Einkaufen in Wiesbaden

Text und Fotos: Hendrik Jung

Nicht nur das goEast-Filmfestival bringt Wiesbaden in Sachen Mittel- und Osteuropa auf den Geschmack. Kleine Einkaufstour mit einigen Überraschungen.

Alljährlich im April vermittelt das goEast-Festival filmische Einblicke in das Leben in Mittel- und Osteueuropa. Rund ein Dutzend Wiesbadener Geschäfte bietet das ganze Jahr über die Gelegenheit, auf den Geschmack dieser Region zu kommen. Wir haben einige davon aufgesucht.

Schulz-Markt, Otto-Wels-Straße 138, Öffnungszeiten: Mo. – Fr.: 9 – 20 Uhr, Sa.: 9 – 18 Uhr:

Seit 19 Jahren finden sich hier auf rund 400 Quadratmetern Spezialitäten aus zahlreichen ehemaligen Sowjetrepubliken: Von estnischem Likör über russische Schokolade bis zu eingemachtem georgischem Salat. Immer wieder haben Ewald und Maria Schulz sich im Laufe der Zeit den Bedürfnissen der Kundschaft angepasst. Nachfrage nach Zeitungen, Zeitschriften und Musik-CDs gibt es in Zeiten des Internets nicht mehr. Schmuck aus Sicherheitsgründen nur noch auf Bestellung. Russische Glückwunschkarten und Kinderbücher seien jedoch nach wie vor genauso gefragt wie Kosmetikprodukte, deren Geruch auch der 42 Jahre alte Inhaber noch aus seiner Kindheit kennt. Genauso wie die bunte Vielfalt an Süßwaren.

Besonders beliebt sind traditionell die Fleisch- und Wurstwaren nach russischen, polnischen oder rumänischen Rezepten sowie frischer Karpfen. Klassiker sind auch Salzhering und Räucherlachs, die auf Wunsch mit anderen gesalzenen, gedörrten und geräucherten Fischen als fertige Platten angeboten werden. Aktuell greifen in der Fastenzeit viele jedoch auch zu Buchweizen. Frisches Obst und Gemüse holt Ewald Schulz in der Frankfurter Kleinmarkthalle, ansonsten werden alle Waren über Großhändler bestellt. Zu Beginn hat der Deutschrusse die Produkte gemeinsam mit seinem Bruder selbst importiert, denn zunächst haben die beiden in Hattersheim einen Großhandel betrieben. Auf Wunsch zahlreicher Wiesbadenerinnen und Wiesbadener ist dann der Schulz-Markt entstanden, der seine Kundschaft auch in Rüdesheim, Mainz oder Rüsselsheim findet. Fazit: Großes Angebot, freundlicher Service.

Smakosz, Blücherstraße 40, Öffnungszeiten: Mo.-Fr.: 9 – 18 Uhr, Sa.: 9 – 14 Uhr:

Feinschmecker lautet übersetzt der Name des gemütlichen kleinen Ladens, der seit mehr als zehn Jahren Spezialitäten aus Polen anbietet. Joanna Wasiuk bezieht sogar Obst, Gemüse oder fertige Kuchen über Großhändler aus ihrem Heimatland. Nur die Torten werden bei einer polnischen Konditorei in Offenbach bestellt. „Die Butter ist viel teurer als deutsche Butter. Aber die Kunden wollen das haben. „Geschmack kann man nicht vergessen“, erläutert die 46-jährige. Weil viele osteuropäische Speisen sich ähneln, gehören Kundinnen und Kunden aus Russland oder Kroatien ebenfalls zur Klientel. Aber auch Deutsche kommen auf den Geschmack. Wer möchte, findet in dem 35 Quadratmeter großen Ladenlokal einen Platz, um zu Musik polnischer Radiostationen Kaffee und Kuchen genauso vor Ort zu genießen, wie die Piroggen, die entweder mit Fleisch oder mit Käse und Kartoffel oder mit Sauerkraut und Pilzen gefüllt sind. Noch beliebter aber sind die Wurstwaren, die anders gewürzt, kräftiger geräuchert und reichhaltiger sind, als in Deutschland üblich. Fazit: Klein, aber fein und gemütlich – und auch für Nicht-Landsleute einen Besuch wert.

HEUTE (12.04.) um 18 Uhr : 18:00 Uhr – SMAKOSZ: POLNISCH FÜR FEINSCHMECKER – goEast lädt ein zu einem Polnisch-Kurs: Im Wiesbadener Feinkostladen Smakosz erwartet die Teilnehmenden eine interaktive Lernstunde mit Kaffee, Tee und polnischen Köstlichkeiten.Smakosz Polski SklepFr, 12.04. / 18:00  Blücherstraße 40Eintritt: 3 Euro / ermäßigt 2 Euro

Baby Design, Wallufer Straße 10, Öffnungszeiten: Di.-Fr.: 9.30 – 16.30 Uhr, Sa.: 10 – 15 Uhr:

Seit einem halben Jahr bietet Karolina Kosowska-Rolla polnische Marken-Kleidung für Babys an, ergänzt um nicht minder hochwertige Handarbeiten aus ihrem Heimatland. Die junge Mutter findet, dass der Trend in Deutschland dahin führe, schon Kleinkinder-Kleidung erwachsen wirken zu lassen. Polnische Dessins seien dagegen bunt und verspielt mit vielen Details, die die Kinder interessieren, so dass sie dabei gleich noch etwas über das Weltall oder Autos lernen. Es Grafiken, die ihren zwanzig Monate alten Sohn jedenfalls sehr ansprechen. Die angebotenen Produkte, die überwiegend aus Baumwolle hergestellt sind, teste sie gemeinsam mit einer Freundin, die kleine Töchter hat. Die Kundschaft, die bereits bis aus Darmstadt kommt, bestehe vorwiegend aus deutschen Eltern. Alle zwei bis drei Monate sollen diese mit Aktionen angelockt werden, bei denen es selbstgebackenen Kuchen, Kaffee und Rabatte gibt. Da der Laden selbst noch sehr jung ist, soll sich im Laufe des Jahres noch einiges entwickeln. So wird bislang erst etwa die Hälfte der 54 Quadratmeter Fläche bespielt. Im zweiten Raum soll es in Zukunft auch für die Mütter ein modisches Angebot geben. Fazit: Außergewöhnlich, sympathisch und noch nicht ganz ausgewachsen.

Zwölf Korken, Nettelbeckstraße 12, Öffnungszeiten: Noch nicht festgelegt:

„Was man in russischen Geschäften finden kann, ist eine Beleidigung für georgischen Wein“, findet Polina Baymakova-Koch. Um den Produkten dieser Weindestination – Georgien gilt mit seiner über 7000 Jahre zurückreichenden Tradition als eines der Ursprungsländer des Weinbaus – gerecht zu werden, hat die russische Fotografin vor drei Jahren ihr Atelier in der Blücherstraße zur ARTbar erweitert. Diese führt sie gemeinsam mit ihrem deutschen Ehemann. Noch in diesem Monat wollen die beiden nun gleich um die Ecke in einer rund zwanzig Quadratmeter großen Garage auch noch einen kleinen Weinladen eröffnen. „Wir werden oft angesprochen, ob man die Weine nicht mit nach Hause nehmen kann“, erläutert die 37-jährige, warum sich das Paar für diese zusätzliche nebenberufliche Aktivität entschieden hat. An einigen Nachmittagen für ein paar Stunden sowie auf Anfrage soll das Zwölf Korken geöffnet sein. Das Angebot soll dabei helfen, die unfassbare Vielfalt der Weine aus Georgien zu entdecken, wo mehr als 500 autochthone, also nicht importierte, einheimische Rebsorten existieren. Aber auch armenische Fruchtweine gehören zu den Favoriten der beiden. Außerdem sei man mittlerweile in Kontakt mit Winzern in Moldawien und wolle begleitend zum Wein auch Feinkost und Süßwaren aus Osteuropa anbieten. Fazit: Man darf gespannt sein.

Galerie Pokusa, Albrechtstraße 40, Öffnungszeiten: Fr.: 17.30 – 19.30 Uhr, Sa.: 15 – 17 Uhr sowie nach Vereinbarung:

Im polnischen Kultursalon hat sich ein Kreis geschlossen. Nachdem vor 17 Jahren bei der allerersten Ausstellung des Vereins Arbeiten der Malerin Ewa Stefanski gezeigt worden sind, gestaltet die in Frankfurt lebende Künstlerin auch die einhundertste Ausstellung, bei der der Verein polnische Kunst präsentiert. Im April sind in den 50 Quadratmeter großen Räumen nun Serigrafien und Linolschnitte von drei Künstlerinnen aus Krakau und Breslau zu sehen und zu kaufen. „Wir motivieren die Künstler, Atelierpreise zu nehmen“, betont Sibylle von Oppeln-Bronikowski. In der Galerie wolle man nämlich die in Polen weit verbreitete Tendenz, in originale Kunstwerke zu investieren ebenso nach Deutschland „importieren“ wie die dort herrschende Offenheit gegenüber junger Kunst. Nicht umsonst lautet die Übersetzung des Galerie-Namens Versuchung. Die 65-jährige Begründerin ist nach dem Fall der Mauer oft von Berlin nach Polen gefahren, weil sich die dortige Kunstszene damals in Aufbruchsstimmung befunden habe und Galerien nicht so steril wie in Deutschland gewesen seien. Eine Eigenheit der polnischen Galerieszene sei, dass oft auch Glaskunst und Keramik gezeigt werden. Im Pokusa hat man es sich zur Tradition gemacht, bei der jährlichen Winter Art ebenfalls eine Sparten überschreitende Ausstellungen zu machen. Außerdem habe man eine weitere Eigenart der polnischen Galerieszene übernommen und biete allen Gästen frisch gebrühten Tee an. Fazit: Inspirierend und abwechslungsreich.

Gustul de Acasa – Rumänischer Supermarkt, Dörrgasse 5, Dotzheim haben wir als Geschäft des Monats hier ausführlich vorgestellt. (Foto Kai Pelka)

Das goEast-Festival des mittel- und osteuropäischen Films findet vom 10. bis 16. April statt. Hauptschauplätze sind die Filmbühne Caligari und das Festivalzentrum in den Räumen der Casino-Gesellschaft in der Friedrichstraße. sensor ist Medienpartner. Der sensor-Tresentalk mit Festivalleiterin Heleen Gerritsen ist als Podcast unter https://anchor.fm/tresentalk-podcast zu hören.