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Klärbecken neben Kulturdenkmal: Hammermühle-Eigentümer protesiert, Stadt rechtfertigt

„Die Biebricher Hammermühle hat im Laufe ihrer circa 1000-jährigen Geschichte schon vieles erlebt, aber das was jetzt kommen soll, könnte ihr Ende bedeuten.“ Mit drastischen Worten beschreibt Eigentümer Uli Brandner die Situation rund um seine Immobilie und die Vorhaben der Stadt aus seiner Sicht. Bis zum 12. März ist jedermann berechtigt,  sich zu den Inhalten der Planung zu äußern und Anmerkungen vorzubringen und auch Einwände schriftlich an die Stadt einzureichen. Die Stadt Wiesbaden legt auf Wiesbaden.de aktuell Pläne offen, wie der neue Bebauungsplan für die Erweiterung ihres Hauptklärwerks aussehen soll. Und rechtfertigt das Vorhaben als zwingend notwendig.

Zur weiteren Verbesserung der Abwasserqualität sind weitere Gebäude und Klärbecken geplant. Diese sollen nach dem Willen der Stadt gerade einmal einen Steinwurf von den Wohnräumen dieses geschichtsbeladenen Gebäudes entfernt gebaut werden. „Dieses Vorhaben kann man mindestens europaweit als einmalig bezeichnen“, urteilt Uli Brandner und berichtet: „Bewohner der 20 Wohnungen, überwiegend junge Familien, kündigten schon an, dass der Anblick der Bauten und zu erwartende Geruchs- Schadstoff- und Lärmimmissionen zu einem Wegzug führen würden.“ Die Hammermühle aus dem Mittelalter, 1690 wieder aufgebaut, ist mit ihrer Geschichte eines der beiden bedeutsamen, kulturpolitisch-geschichtliche Baudenkmäler Biebrichs und eines der ältesten Häuser von ganz Wiesbaden. Eigentümer Uli Brandner wehrt sich nach Kräften gegen dieses Vorhaben und trägt auf seiner eigens erstellten Webseite Gegenargumente zusammen.

Brandner fordert unter anderem den gesetzlich vorgesehenen Umgebungsschutz für Baudenkmäler und einen Trennungsabstand von Industriegebiet zu Wohnräumen, eine andere Priorisierung der elf begutachteten Standortalternativen, die Ausweitung des direkt angrenzenden Artenschutzgebietes, sowie eine vernünftige Haltung des Abwartens in Bezug auf neueste wissenschaftliche Erkenntnis bei der Abwassertechnik sowie den gerade erst entstehenden EU-Regularien. Zudem weist er auf eine Problematik für das gesamte Stadtklima hin. Und diese habe es in sich, so Brandner: „Der geplante Baustandort befindet sich nämlich ausgerechnet an der sensibelsten, weil engsten Stelle des wichtigsten Frischluftkanals der Wiesbadener City, dem Salzbachtal“.

Nacht für Nacht würden hier Luftschadstoffe und erhitzte Luft des Citykessels unter Nachschub kühler Frischluft aus dem Taunus abgeführt. Dass die städtischen Luftschadstoffwerte nicht noch höher liegen, liege an der Aktivität dieses Tals. Das Wiesbadener Umweltamt habe deshalb diesen Bereich des Tals mit einem Bauverbot belegt. Dass Stadtplanungsamt und ELW „drei riesige Klärbecken, ein 11 Meter hohes und 38 Meter breites Filtrationsgebäude und weitere Bürogebäude“ bauen wollen, käme laut Brandner einem „Riegel gegen die Frischluftbahn“ gleich. „Wiesbaden hatte nicht immer eine gute Hand im Umgang mit ihren Denkmälern. Das Cafe Orient, das Neroberghotel und viele andere Gebäude riss man völlig sinnlos ab“, so Brandner.

Stadt rechtfertigt Vorhaben: Gestiegene Anforderungen

Die Stadt hingegen rechtfertigt das Vorhaben mit gestiegenen wie strengeren Anforderungen und Vorgaben an die Abwasserreinigung. Auch die Bedenken bezüglich klimatischer Auswirkungen weisen die Verantwortlichen zurück. Die entstehenden flachen Bauwerke würden die Frischluftzufuhr nicht stören.

Schon heute gehöre das Hauptklärwerk zu einem der modernsten Klärwerke in Europa, heißt es. Trotz der bereits eingesetzten modernsten Technik müsse zur Beseitigung der Rückstände von Medikamenten, Mikroverunreinigungen und anderen Stoffen die Klärwerkstechnik entsprechend ausgebaut werden, damit auch diese Spurenstoffe aus dem Wasser herausgefiltert werden können. Angesichts der von diesen Stoffen ausgehenden Gefahren für Mensch und Natur sei die Erweiterung des Hauptklärwerks unbedingt erforderlich. Das bestehende Gelände des Hauptklärwerks solle zum Ausbau dieser neuen Verfahrenstechniken im Süden um zwei Hektar erweitert werden. Auf dem dann rund 15 Hektar großen Plangebiet sollen die notwendigen Kapazitätserweiterungen bauleitplanerisch gesichert werden. In der Bauleitplanung werde die Erneuerung der darüber liegenden Autobahnbrücke (BAB 66) über das Salzbachtal berücksichtigt. Diese beiden sich überlagernden Planungen seien jetzt aufeinander abgestimmt. Neben der Erweiterung des Klärwerks bestehe die Absicht, eine Rad- und Fußwegeverbindung zwischen der Straße „An der Hammermühle“ und der höhergelegenen Straße „Im Mühltal“ planerisch zu sichern, diese unterquere dabei die Autobahnbrücke der A 66. Die Pläne sind im Internet unter http://www.wiesbaden.de/auslegung abrufbar.

Für diejenigen, die keinen Zugang zum Internet haben, gibt es die Möglichkeit, die Planunterlagen in der Zeit bis 12. März öffentlich im Verwaltungsgebäude Wiesbaden, Gustav-Stresemann-Ring 15, Erdgeschoss, Raum für öffentliche Auslegungen, einzusehen. Vorab kann ein Termin über die E-Mail-Adresse staedtebau@wiesbaden.de oder telefonisch über 0611/316471 mit dem Stadtplanungsamt vereinbart werden, um sich die Unterlagen erläutern zu lassen. Auf die derzeit geltenden Hygiene- und Mindestabstandsregelungen wird hingewiesen. Ein Mund-Nasen-Schutz muss dafür mitgebracht werden. Sie erreichen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(sun/Fotos Uli Brandner)

Impressionen von der Hammermühle