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Kulturszene Wiesbaden: Darf´s ein bisschen mehr sein?

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Von Hendrik Jung. Fotos Michael Zellmer.

Die Debatte um das Stadtmuseum hat die Kulturschaffenden in Wiesbaden aufgeweckt. Auch nach dem Scheitern des Neubaus geht die Diskussion weiter – zumal die für das Großprojekt angedachten Kulturkürzungen längst nicht vom Tisch sind.

Das neue Jahrtausend war noch jung, als Wiesbadens Kulturetat zwei Mal hintereinander um jeweils fünf Prozent gekürzt wurde. Die damals zuständige Dezernentin Rita Thies bat die Kulturschaffenden zu einer Vollversammlung, um die frohe Botschaft zu vermitteln. Aus dieser Vollversammlung ist vor zwölf Jahren der „Arbeitskreis Stadtkultur“ entstanden. Ist es also ein schlechtes Omen, dass sich nun im Zuge der Diskussion um ein Stadtmuseum damit verbundener Ankündigungen von Kulturkürzungen ein neues Netzwerk unter dem Namen „Kultur in Wiesbaden – Wiesbaden ist Kultur“ gegründet hat?

Die Debatte um den kommenden Doppelhaushalt steht noch aus, doch sind bei den Recherchen zu diesem Artikel mehrfach Gerüchte angeklungen, dass Kürzungen bevor stehen. Und dabei geht es nicht nur um eine eventuelle Einstellung des Kultursommers oder einen möglichen Austritt aus dem Kulturfonds Rhein-Main. „Ein Mehr aus dem Geldtopf kann es mit Blick auf den Haushalt vermutlich nicht geben“, drückt es die kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Wiesbadener Rathaus, Claudia Spruch, aus. Konkreter wolle sie nicht werden, das sei Sache des Kämmerers. Umso mehr könnte ein weitere Vernetzung der Akteure in der Wiesbadener Kulturlandschaft von Nöten sein. „Wir haben zu viele kleine Pötte, wo jeder sein Ding kocht. Es wäre toll, wenn die Künstler sich generations- und genreübergreifend vernetzen würden“, findet die Initiatorin von „Kultur in Wiesbaden –Wiesbaden ist Kultur“, Barbara Haker. Die 39-jährige möchte Ideen Raum geben und hat den Anfang dazu auf Facebook gemacht. Bis zum Erscheinen dieser Ausgabe soll es dann auch einen Internet-Auftritt geben, der den Kulturschaffenden sowohl zum Austausch als auch zur Bewerbung ihrer Angebote dienen soll. Zu einem zweiten offenen Netzwerktreffen im Kulturpalast hatten sich bei Redaktionsschluss bereits über 30 Teilnehmer angemeldet.

Kulturamt als Konkurrent oder Dienstleister?

„Ich wünsche mir auch mehr Vernetzung mit der Stadt“, fügt die Mitbegründerin der Compagnie Lunel hinzu. Denn zur Vorbereitung historischer Inszenierungen wäre es wichtig, rechtzeitig das Jahresprogramm der Stadt zu kennen und zu wissen, welche Jubiläen gefeiert werden. Unterstützung muss also nicht immer finanzieller Natur sein. Die Vermittlung von Sponsoren, die Nutzung von Räumen, aber auch Hilfe bei administrativen Aufgaben nennt Margarethe Goldmann vom Arbeitskreis Stadtkultur als Beispiele. „Mehr Freiraum schaffen, um Kultur zu machen“, fordert die frühere Wiesbadener Kulturdezernentin (1986-92). Viele Kulturtreibende würden sich das Wiesbadener Kulturamt als Dienstleister wünschen. Stattdessen betrachten sie die städtische Einrichtung geradezu als Konkurrenten auf dem Kulturmarkt. „Die gleichen Künstler, die bei uns auftreten, treten auch im Kulturforum auf. Dort kosten die Karten dann sieben Euro, bei uns 16“, verdeutlicht etwa Susanne Müller vom „kuenstlerhaus43“, dass man mit den Preisen der Konzertreihe „ton ab“ nicht konkurrieren könne. „Wenn es darum geht, Kultur für alle zu ermöglichen, geht das auch anders. Bedürftige könnten einen geringeren Preis zahlen, der Rest den normalen Betrag“, fügt sie hinzu. Dass das seit zehn Jahren existierende Theater mit seiner Preisgestaltung keineswegs daneben liegt, hat eine Überprüfung durch den heutigen IHK-Präsidenten Christian Gastl ergeben. Mit seiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat er diese zu Beginn der Amtszeit der jetzigen Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz bei mehreren freien Bühnen durchgeführt. „Wir haben das Feedback bekommen, dass wir sehr wirtschaftlich und effektiv arbeiten. Außerdem fand Herr Gastl es gut, dass unser Mix für Marketing und Finanzierung so vielfältig ist“, berichtet Wolfgang Vielsack.

Cleverer Finanzierungsmix – und Verzicht auf die eigene Rente

Nicht nur dem „kuenstlerhaus43“ ist wirtschaftlich gute Arbeit bescheinigt worden. „Die Überprüfung hat dazu geführt, dass wir im letzten Haushalt die Zuschüsse für freie Bühnen erhöhen konnten“, äußert sich Stadträtin Rose-Lore Scholz erfreut. Dennoch ist die Situation für die Kulturschaffenden alles andere als rosig. „Unser größter Beitrag zur Finanzierung des Künstlerhauses ist, dass wir auf unsere Rente verzichten“, betont Wolfgang Vielsack, der gerade 50 Jahre alt geworden ist und nach derzeitigem Stand mit 300 Euro Rente pro Monat auskommen muss. Seine Einkünfte aus kommerziellem Theater, Workshops und als Clown fließen in das Künstlerhaus. Medienwirtin Susanne Müller gestaltet Flyer und Programmhefte selbst. Praktikanten und Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres unterstützten bislang den Betrieb des Familienunternehmens. Erstere bekomme man nun jedoch nicht mehr, weil man ihnen keinen Mindestlohn zahlen könne. Darüber hinaus gehören ein aktiver Förderverein, Sponsoring und Fundraising zum Finanzierungsmix. Mittlerweile außerdem regelmäßige Projektmittel aus dem Budget des Kulturamts. Jeweils 27.500 Euro im Doppelhaushaltsjahr 2014/2015. 2013 sind es noch 20.000 Euro gewesen.

Der feine Unterschied: Echte und gefühlte Kulturförderung

„Seit 2010 hat der Kulturhaushalt um 12 Prozent zugelegt“, berichtet die kulturpolitische Sprecherin der CDU, Claudia Spruch. „Das ist aber nur eine Kompensation der gestiegenen Kosten für Mieten und Gehälter. Das hat nichts mit gesteigerter Kulturförderung zu tun“, wendet ihre Kollegin der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen, Dorothea Angor, ein. „An der einen oder anderen Stelle handelt es sich um erhöhte Kosten, aber da ist auch der Neubau des Schlachthofs, die Mediathek und die Erhöhung der Förderung für kleine Bühnen dabei“, räumt Claudia Spruch ein. So froh die kleinen Bühnen über jeden Cent sind, handelt es sich doch nur um den berühmten Tropfen auf den heißen Stein. „Es gibt Phasen, da kann ich auf geringem Niveau vom Walhalla leben. Aber ich muss auch andere Quellen nutzen“, beschreibt Sigrid Skoetz, künstlerische Leiterin des mitten in der Innenstadt am Mauritiusplatz gelegenen Walhalla Theaters, ihre Situation. Von der Stadt erhält sie zur Zeit pro Jahr 40.000 Euro Zuschuss zur Begleichung von Mietrückständen. Dazu seien im vergangenen Jahr noch einmal Projektmittel in Höhe von 13.000 Euro gekommen. Außer an sich selbst, müsse sie daher auch an den Mitarbeitern sparen. Bis zu zehn Leute seien bei Eigenproduktionen im Einsatz. „Wir haben Veranstaltungen, die gibt es im ganzen Rhein-Main-Gebiet nicht“, beschreibt Sigrid Skoetz das außergewöhnliche Niveau ihres Hauses. Veranstaltungen wie das „Hotel Bossa Nova“ hätten auf ihrer Bühne Premiere gefeiert und sind später bei den Maifestspielen zu hören gewesen. Andere Walhalla-Künstler werden mittlerweile zum Rheingau Musik Festival gebucht und sind nun für die seit 14 Jahren bestehende freie Bühne nicht mehr finanzierbar. Um das niveauvolle Programm in dem historischen Gebäude zu erhalten, wird sich in Kürze zu dessen Unterstützung ein Beirat gründen, der Förderverein soll weiter ausgebaut werden. Sigrid Skoetz vergleicht das Niveau des Walhalla mit den Maifestspielen. Nur, dass diese bei einem Budget von 1,4 Millionen Euro im vergangenen Jahr weniger Veranstaltungen auf die Bühne gebracht haben.

Kultur als Standortfaktor

„Dieser Unterschied in der Finanzierung ist nicht mehr zeitgemäß“, findet sie. Ein Punkt, bei dem sie ganz einer Meinung mit dem Vorsitzenden des Kulturzentrums Schlachthof, Gerhard Schulz, ist. Seit vergangenem Jahr ist er außerdem der Vorsitzende des Ausschusses für Kulturwirtschaft der IHK. „Wenn sich die Kreativwirtschaft in Wiesbaden weiter entwickeln soll, müssen wir auch das kulturelle Angebot entwickeln. Sonst gehen die woanders hin“, sieht Gerhard Schulz in der Kultur einen Standortfaktor für Wiesbaden. Einen Anteil von weniger als vier Prozent am städtischen Haushalt hält er für eine Landeshauptstadt nicht für angemessen. Als Vorsitzender des Kulturzentrums will er mit seinem Team daran arbeiten, dass sie für ihre gute Arbeit irgendwann auch einmal guten Lohn erhalten.

Tabubruch ohne Neiddebatte

Als Vorsitzender des IHK-Ausschusses für Kulturwirtschaft fordert er einen Tabubruch im System der Subventionierung. Das stamme schließlich noch aus der Zeit des Wirtschaftswunders. „Damit ist nicht gemeint, endlich in die sogenannte Neid-Debatte einzusteigen um dem Staatstheater Zuschüsse abspenstig zu machen, sondern endlich den Einstieg in eine sachlich geführte Auseinandersetzung um öffentliche Subventionen. Mit dem Ziel, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und eine in jedem Einzelfall angemessene Förderung herbei zu führen“, betont Gerhard Schulz. Wie ein neues System aussehen soll, könne er derzeit noch nicht sagen. Wie das aktuelle System aussieht, kann am besten die  zuständige Kulturdezernentin berichten. „Für uns steht die künstlerische Qualität eines Projekts ganz oben: Kreativität und Innovation“, erläutert Rose-Lore Scholz. Weitere Faktoren seien die Impulse, die ein Projekt in die Stadt hinein gebe, ob es technisch und finanziell überhaupt realisierbar sei und ob es Möglichkeiten zu Kooperationen biete.  Auch wenn es kulturelle Angebot gebe, die wichtig sind, obwohl sie nur für einen kleinen Kreis interessant sind, sei auch die Publikumsresonanz ein Kriterium. Bei den gewünschten innovativen Projekten, fehlen Erfahrungswerte über Publikumsresonanz oder mögliche Impulse in die Stadt natürlich. „Dafür gibt es keine Parameter. Das ist ein Frage der Einschätzung, die auch eine Fehleinschätzung sein kann“, räumt der für Finanzierungen zuständige stellvertretende Leiter des Kulturamts, Jörg-Uwe Funk, ein.

Königsweg Kulturentwicklungsplan?

Von dem von allen Beteiligten gewünschten Kulturentwicklungsplan für die Landeshauptstadt erhoffen sich viele, dass der Verteilungsprozess in Zukunft besser nachvollziehbar sein wird. „Die Frage ist, was sind die Parameter für eine Förderung? Ich muss begründen können, wem gebe ich warum was“, findet etwa CDU-Frau Claudia Spruch. „Wenn ein Kulturentwicklungsplan aufgestellt worden ist, dann können Politiker in vollem Bewusstsein, dass sie Kenntnis haben, entscheiden“, verdeutlicht Margarethe Goldmann vom Arbeitskreis Stadtkultur, welchen Vorteil eine Erhebung des Status Quo mit sich bringen würde. Noch ist in der Kulturpolitik strittig, ob man für die Erstellung eines solchen Plans zunächst Experten aus anderen Städten einladen oder sich gleich mit den heimischen Kulturtreibenden an einen Tisch setzen soll. Weitgehend Einigkeit besteht hingegen darin, dass darin auch die Entwicklungspotenziale der Wiesbadener Kultur definiert werden sollten und die Bürgerschaft als Nutzer des kulturellen Angebots an dem Prozess beteiligt werden muss. „Wir müssen den Wert der Kultur definieren und dann überlegen, wie viel Geld uns Kultur Wert ist“, drückt es Gerhard Schulz aus. Für ihn und viele andere dürfte es ruhig ein bisschen mehr sein. Die Kulturdezernentin muss sich dagegen mit anderen Überlegungen beschäftigen. „Wenn wir Einsparungen machen müssen, werde ich das mit der Kulturszene absprechen. Das werde ich nicht allein entscheiden“, verspricht Rose-Lore Scholz. Könnte also sein, dass es für die Kulturschaffenden über die zunehmende Vernetzung und die Gestaltung eines Kulturentwicklungsplans hinaus ein sehr kommunikatives Jahr wird. (Update: Anfang März verkündete die Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz im Wiesbadener Kurier, der Kulturhaushalt müsse um 10 Prozent gekürzt werden.)

Hier geht es zu einer Übersicht der vielen und vielfältigen Wiesbadener Kulturanbieter.

Kultur was? Begriffe und ihre Bedeutung

Kulturdezernat: Der jeweiligen Dezernentin/dem jeweiligen Dezernenten – aktuell Rose-Lore Scholz (CDU) – obliegt die politische Verantwortung und die strategische Steuerung der städtischen Kulturarbeit.

Kulturamt: Dessen Mitarbeiter übernehmen die operative Planung, Gestaltung und Umsetzung der städtischen Kulturarbeit. Derzeitige Leiterin des dem Kulturdezernat unterstehenden Kulturamtes ist Ingrid Roberts. Das Kulturamt betreibt die Einrichtungen Artothek, Caligari FilmBühne, Kunsthaus, Literaturhaus Villa Clementine, Musikbibliothek, Stadtarchiv, Stadtbibliothek, Stadtmuseum, Wiesbadener Musik- & Kunstschule e. V., Wiesbadener Musikakademie.

Kulturetat: Das für die Kulturarbeit zur Verfügung stehende Budget. In diesem Jahr sind dafür im städtischen Haushalt 39.564.808 Euro vorgesehen. Das sind 4,027 Prozent des städtischen Gesamtetats von 982.430.185 Euro.

Kulturförderung: Die Landeshauptstadt Wiesbaden fördert kommunale Kulturprojekte aus den Bereichen Kunst, Theater, Tanz, Musik, Film, Literatur und Stadtteilkultur. Zusätzlich nehmen die Schulkultur, der Kulturaustausch mit Partnerstädten und die Zirkuskultur einen besonderen Stellenwert ein.

Institutionelle Förderung: Zuschüsse, die aus dem Kulturetat an einzelne Institutionen vergeben werden. Diese sind innerhalb der Einrichtung in der Regel nicht an einen bestimmten Zweck gebunden. Dafür stehen in diesem Jahr 22.578.650 Euro zur Verfügung. Den größten Einzelposten stellen Betriebskostenzuschuss und Tariferhöhung am Hessischen Staatstheater mit 15.544.370 Euro dar, also knapp 40 Prozent des gesamten Kulturetats.

Projektbezogene Förderung: Mit diesen Mitteln werden konkrete künstlerische Projekte gefördert. Dafür stehen in diesem Jahr etwa 280.000 Euro zur Verfügung – 0,7 Prozent des gesamten Kulturetats.

Kulturfonds Rhein-Main: Gemeinnützige Gesellschaft, zu der neben dem Land Hessen derzeit noch sechs kommunale Gesellschafter gehören. Diese zahlen aktuell pro Jahr zwei Euro pro Einwohner ein. Das Land Hessen verdoppelt diesen Betrag. Die Stadt Wiesbaden hat zwischen 2012 und 2014 Mitgliedsbeiträge in Höhe von 1.673.514 Euro eingezahlt. Die kumulierte Fördersumme, die in dieser Zeit vom Kulturfonds an Wiesbadener Kultureinrichtungen gegeben worden ist, beträgt 1.839.000 Euro. Dazu kommen Mittel, die an Kooperationsprojekte von Kultureinrichtungen vergeben worden sind, die in mehreren Mitgliedsstädten oder -kreisen angesiedelt sind.

 

2 responses to “Kulturszene Wiesbaden: Darf´s ein bisschen mehr sein?

  1. LESERBRIEF

    Danke „Sensor“ für Ihren Februarartikel zur Diskussion in der Kulturszene! Vielleicht bringt er Bewegung in den festgefahrenen Dialog zwischen Kulturpolitik und Kulturträgern der Stadt. Allerdings möchte ich eine wesentliche Angabe korrigieren:
    Auf der Seite 9 unter „Kultur was? Begriffe und ihre Bedeutung“ wird die Zahl 39.564.808 € (das entspräche 4,027% des Gesamthaushaltes ) für die Höhe des Kulturhaushalts der Stadt Wiesbaden genannt. Diese Zahl ist falsch. Es handelt sich dabei um den Betrag für die Ausgaben für Kultur, ohne die Einnahmen (Eintrittsgelder, Zuweisungen vom Land usw.), die zwingende Voraussetzung für die Ausgabenhöhe sind, dagegen zu rechnen. Es gilt bislang, dass das „ordentliche Verwaltungsergebnis“ (Haushaltsplan der Stadt für 2015/16, S. 1265, Zeile 20 = Saldo zwischen Zeile 1-9 (Einnahmen) und 11-18 (Ausgaben) – im Netz unter http://www.wiesbaden.de (Rathaus, Finanzen) auffindbar) als Zahl für die Kulturausgaben der Stadt veröffentlicht wird und das endet mit 33.990. 140 € (es entspricht 3,45% des aktuellen Jahreshaushaltes der Stadt). Damit verschiebt sich auch die Relation zu den Ausgaben für Zuschüsse für das Staatstheater von den angegebenen „knapp 40%“ auf 45 % des gesamten Kulturhaushaltes. Die im Sensor angegebenen Zahlen werden vom Kulturdezernat so an die Presse gegeben. Dass der Sensor sich auf die Angaben des Dezernats verlässt, sei ihm nachgesehen. Aus Sicht der Kulturträger der Stadt ist die Information der Stadt unehrlich und vielleicht sogar arglistig.

    Auch Claudia Spruch jongliert unseriös mit Zahlen: Die Erhöhung des Kulturhaushaltes um angebliche 12% seit 2010 kann man nicht nachvollziehen, wenn man das Jahresergebnis von 2010 mit 27.664.687 € ins Verhältnis zu 33.990.140 € im Jahresansatz von 2015 setzt. Das sind nach meiner Rechnung etwa 8%. Auch das erscheint viel: Der Kulturhaushalt wächst seit 10 Jahren jährlich um etwa 1 Million €. Darin enthalten sind seit 2012 eine knappe halbe Million Euro jährlich für die Mitgliedschaft im Rhein-Main-Kulturfonds und die jährlichen Kostensteigerungen bei Mieten, Energiekosten, EDV-Anlagen (z.B. der neuen Mediathek) und vor allem beim fest angestellten Personal im Kulturamt sowie im Staatstheater. Davon profitieren etwa 900 Beschäftigte. Tariferhöhungen werden aber z.B. von der Volkshochschule seit jeher selbst erwirtschaftet, weshalb die Eigenfinanzierung ständig wachsen musste. Die meisten freien Kulturträger haben seit 2008 keine Erhöhung ihrer Zuschüsse erhalten und damit auch kein Geld, um die bei ihnen ja ebenfalls anfallenden Kostensteigerungen zu kompensieren. Auch dort geht es um Arbeitsplätze und – man glaubt es vielleicht kaum – sogar um Fragen der Einführung des Mindestlohnes. Da das Wiesbadener Kulturdezernat den ehrenamtlichen Kulturpolitiker/innen Im Parlament kein überprüfbares Gesamtbild über bisherige Entwicklungen und künftige Erfordernisse zur Verfügung stellt, fordert der Arbeitskreis Stadtkultur endlich einen Kulturentwicklungsplan. Dann dürfte klar werden, dass alle bemühte Schönfärberei von Zahlen nicht weiter hilft, um die Vielfalt der Kulturlandschaft in Zukunft zu sichern – oder gar auszubauen.

    Margarethe Goldmann
    Kulturdezernentin der LH Wiesbaden a.D. und
    Sprecherin des Arbeitskreis Stadtkultur Wiesbaden

  2. LESERBRIEF

    Hallo,
    mir macht es echt Spaß das Heft sensor zu lesen.
    bei dem Editorial haben Sie einen Kulturort vergessen. Nämlich den Sensor. Ich denke, dass es so eine schöne Zeitung gibt ist auch ein Stück Kultur.
    Viele Grüße U. Langer

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